Gesundheitsmonitoring der niedersächsischen Meeressäuger
Das niedersächsische Wattenmeer ist ganzjährig Lebensraum von drei Meeressäugern (Seehund, Kegelrobbe und Schweinswal), die als Flaggschiffarten das komplexe Nahrungsnetz und die Strukturvielfalt dieses Lebensraumes repräsentieren. Dabei ist die Gesundheit dieser drei Spitzenprädatoren ein wichtiger Indikator für das gesamte Ökosystem dieses Weltnaturerbes.
Niedersachsen hat sich durch verschiedene nationale und internationale Vereinbarungen verpflichtet, den Schutz der marinen Säuger und ihres Lebensraums zu gewährleisten. Hier sind beispielhaft das Abkommen zur Erhaltung der Kleinwale in der Nord- und Ostsee (ASCOBANS), das Oslo-Paris-Abkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordost-Atlantiks (OSPAR), die Fauna-Flora-Habitat- (FFH-) Richtlinie sowie die Vereinbarung zur trilateralen Wattenmeerzusammenarbeit zwischen den drei Anrainerländern zu nennen. Diese Vereinbarungen beinhalten unter anderem Maßnahmen zur Überwachung des Gesundheitszustandes der jeweiligen Meeressäugerspezies.
Einschneidende Seuchenereignisse führten in der Vergangenheit zum Verlust vieler Seehunde. Die beiden Staupe-Epidemien 1988 und 2002 und der Ausbruch der Vogelgrippe 2014 sind hier zu nennen. Daneben gibt es noch zahlreiche weitere infektiöse und nichtinfektiöse Faktoren, die den Gesundheitszustand der Meeressäuger im Wattenmeer beeinträchtigen können. Mitunter können auch Infektionsgefahren für andere Tierarten und den Menschen entstehen.
Um das Auftreten von gefährlichen Krankheitserregern möglichst frühzeitig feststellen zu können und um andere Ursachen für Tierverluste oder Störungen der Gesundheit der Meeressäuger im Wattenmeer zu erkennen, wird ein Gesundheitsmonitoring durchgeführt. Das Gesundheitsmonitoring beruht auf zwei wesentlichen Pfeilern: der Erfassung von Strandungen lebender und verendeter Tiere und der pathologischen Untersuchung der Todfunde.
Die Erfassung von Strandungen
Die Seehundstation Norddeich nimmt die Meldungen aller Funde von Meeressäugern in Niedersachsen entgegen. Anschließend werden die Informationen an die Wattenjagdaufseher weitergeleitet. Die Wattenjagdaufseher kontrollieren ehrenamtlich den Fund und nehmen Grunddaten zu dem Tier auf. Eine Auswertung der Daten erfolgt anschließend durch das LAVES. Eine Bestimmungshilfe für tot aufgefundene Meeressäuger kann eine erste Einschätzung erleichtern.
Gut zu wissen: In Niedersachsen können Funde von Meeressäugern der Seehundstation Norddeich unter der Telefonnummer 04931-97 33 30 gemeldet werden.
Bitte beachten Sie: Fassen Sie das Tier nicht an und halten Sie Abstand zu dem Tier. Tote Tiere können gegebenenfalls auf den Menschen übertragbare Krankheiten haben.
Pathologie und weiterführende Untersuchungen
Frisch verendete Tiere werden von den Wattenjagdaufsehenden geborgen. Anschließend werden sie durch das Lebensmittel- und Veterinärinstitut Oldenburg abgeholt und dort untersucht. Äußere oder innere Verletzungen, ein starker Parasitenbefall sowie krankhafte Organveränderungen können durch eine umfassende pathologische Untersuchung festgestellt werden. Darüber hinaus werden die Organe auf Krankheitserreger (Bakterien, Viren, Pilze, Parasiten) und auf Schadstoffe untersucht.
Die Untersuchungen werden nach einem international abgestimmten Muster durchgeführt. Somit können die Ergebnisse auch mit denen anderer Länder verglichen werden. An den Untersuchungen sind neben dem Lebensmittel- und Veterinärinstitut Oldenburg das Lebensmittel- und Veterinärinstitut Hannover sowie das Institut für Fische und Fischereierzeugnisse (IFF) Cuxhaven beteiligt.
In den Jahren 2020 bis 2024 wurden insgesamt 207 kleine Meeressäuger in Niedersachsen untersucht.Ausgewählte Untersuchungsergebnisse
Einige der untersuchten Tiere wiesen Verletzungen auf, deren Ursache jedoch nicht ermittelt werden konnte. Die bisherigen Untersuchungen auf Krankheitserreger (Bakterien, Viren und Parasiten) haben keine Hinweise für das Vorliegen auf Infektionskrankheiten ergeben, die die Bestände der kleinen Meeressäuger gefährden (beispielsweise Staupeviren, Influenza-A-Viren, Erreger des Rotlaufs). Allerdings wurde eine Vielzahl von Bakterien gefunden, die zu Erkrankungen bei Einzeltieren führen können. Hier sind beispielhaft die Nachweise von Brucellen (Brucella pinnipedialis) und Streptokokken (Streptococcus phocae) zu nennen. Darüber hinaus waren viele Tiere mit Parasiten infiziert. Ob es sich bei dem Befall des Bestands noch um ein normales Phänomen handelt (In Wildtiere sind sehr häufig Parasiten zu finden) oder ob der starke Befall auf eine Störung der Gesundheit der Population hinweist, soll in weiterführenden Untersuchungen geklärt werden.
Seehundmonitoring
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