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Ergotalkaloide in Mischfuttermitteln mit Getreide - ein nachwachsendes Problem

Roggenähre mit Sklerotium (Mutterkorn)   Bildrechte: © Michael Tieck - Fotolia.com
Roggenähre mit Sklerotium (Mutterkorn)

Was sind Ergotalkaloide?

Energiereiche und gut verdauliche Getreidekörner sind die Ernährungsbasis des Menschen und der meisten intensiv genutzten Tiere.

Getreide wird nicht selten von dem Mutterkornpilz (Claviceps purpurea) befallen. Das Pilzmyzel ist in Form hornähnlicher, harter, schwärzlicher Wucherungen, den Sklerotien, an Getreideähren leicht erkennbar. Ergotalkaloide sind die Gifte des Mutterkornpilzes, die durch ihr toxisches Potential eine immerwährende latente Gesundheitsgefahr für Tiere und Menschen bedeuten.

Auch bei wiederholter Aufnahme in geringer Dosierung können Ergotalkaloide die Gesundheit chronisch schädigen. Bei Schweinen kann sich dies auch in einer bloßen Leistungsminderung, zum Beispiel in reduzierten Wurfgrößen, auswirken.

Mit der Ausweitung des Roggenanbaus im Mittelalter trat bei der Bevölkerung weiter Landstriche seuchenhaft eine schwere Krankheit, das „Antoniusfeuer“ auf. Erst im 17. Jahrhundert wurde der Mutterkornbefall als Ursache für dessen qualvolle Symptome, wie faulig absterbende Gliedmaßen, erkannt.

Da auch bestimmte Wildgräser, wie Ackerfuchsschwanz und Roggentrespe, dem Mutterkornpilz als Wirt dienen, ist und bleibt die Gefahr durch Ergotalkaloide in Getreide enthaltenden Produkten trotz aller Fortschritte bei Anbau, Ernte und Reinigung stets präsent.

Nachwachsendes Problem - angepasste Kontrolle

Getreide als Futtermittel untersteht der ständigen Kontrolle der amtlichen Futtermittelüberwachung des LAVES. Bei der amtlichen Überwachung war ursprünglich der mikroskopische Nachweis der Sklerotien in Getreide das Mittel der Wahl bei der Befallskontrolle.

Als unerwünschter Stoff wurde für diese mit 1000 Milligramm pro Kilogramm (mg/kg) ein Höchstgehalt festgelegt (europäische Richtlinie 32/2002).

Ein 2012 gestartetes, bundesweites Untersuchungsprogramm ergab jedoch, dass der Gehalt an Sklerotien keinen Rückschluss auf deren Gehalt an Ergotalkaloiden erlaubt. Diese Stoffe liegen zudem in 40 Varianten mit wechselnden Anteilen vor. Sie können entsprechend unterschiedliche Wirkungen auf den Organismus ausüben.

Mit der Höchstmengenregelung auf Basis des Sklerotiennachweises in unzerkleinertem Getreide ist somit keine sichere Ableitung auf mögliche Gesundheitsbeeinträchtigungen für die – zudem unterschiedlich empfänglichen – Tierarten möglich.

2019 wurden von der Arbeitsgruppe „Carry over unerwünschter Stoffe in Futtermitteln“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) vorläufige Orientierungswerte für Ergotalkaloide in der täglichen Ration landwirtschaftlicher Nutztiere abgeleitet. Daraufhin wurde im Futtermittelinstitut Stade (FIS) die Analytik um ein chromatographisches Verfahren erweitert, sodass neben Getreide nunmehr auch Mischfuttermittel untersucht werden.

Bei der Befunderhebung wird, auf der Basis der aktuellen Orientierungswerte, berechnet, mit welchem prozentualen Anteil ein Ergotalkaloide enthaltendes Futtermittel in der Gesamtration maximal enthalten sein sollte, um schädigende Wirkungen auszuschließen.

Untersuchungsergebnisse

Von 2021 bis zum ersten Quartal 2025 wurden im Futtermittelinstitut Stade insgesamt über 650 Mischfuttermittel und Getreideproben aus der amtlichen Probennahme des LAVES auf Ergotalkaloide untersucht und in 65 Prozent aller Proben wurde das Toxin festgestellt.

Die vorläufigen Orientierungswerte (siehe Tabelle unten) für Mischfuttermittel wurden bei 56 Proben sicher überschritten.

Über 300 Mischfuttermittel enthielten Ergotalkaloide zwischen 11,0 Mikrogramm pro Kilogramm (µg/kg) und 565 µg/kg (bezogen auf 88 Prozent Trockenmasse).

Nicht nur ein Problem bei Roggen…

Von den Getreiden gilt insbesondere Roggen aufgrund seiner über einen längeren Zeitraum exponierten Blüte für einen Befall mit Mutterkorn als prädisponiert, also besonders anfällig. Bei länger andauerndem feuchten und kühlen oder sehr heißem Frühjahrswetter werden aber auch andere Getreide wie Weizen, Triticale und Gerste befallen.

Dies hat sich in Getreideproben seit 2021 bestätigt:

  • Anteilsmäßig dominierte erwartungsgemäß Roggen mit 50 positiven von 67 Proben bei den Ergotalkoaloidnachweisen, wobei hier ein Höchstwert von 3860 µg/kg Trockenmasse (88 Prozent) analysiert wurde. Unter Vorgabe der Orientierungswerte resultierte daraus eine hohe Beanstandungsquote.
  • 42 von 87 Weizenproben enthielten Ergotalkaloide, wobei eine mit 3340 µg/kg Trockenmasse (88 Prozent) nahe dem Spitzenwert für Roggen lag.
  • Von Triticale lagen 13 Proben vor, von denen sieben positiv befundet wurden mit Werten zwischen 14,2 µg/kg und 2630 µg/kg (bezogen auf 88 Prozent Trockenmasse).
  • Bei der Gerste war nur eine von zehn Proben positiv.

Je nach Getreideanteilen ergeben sich somit bei Mischfuttermitteln unterschiedliche Potentiale für den Gehalt an Ergotalkaloiden.

Die Zusammensetzung der Handelsfuttermittel ist überaus komplex und ändert sich mit den Rohstoffangeboten und Marktpreisen. Tierartspezifisch dominieren zwar bestimmte, den Ernährungsbedürfnissen entsprechende, Getreidesorten. Es lässt sich aber nur tendenziell ermitteln, aus welchem Getreide die Haupteinträge von Ergotalkaloiden stammen könnten. Die Ergebnisse legen jedoch nahe, dass neben Roggen auch Weizen und Triticale in einem erheblichen Umfang eine Kontaminationsquelle bei Mischfuttermitteln darstellen.

Was zu tun ist – was getan wird

Die amtliche Kontrolle begegnet dem Problem nicht nur mit einer Aufstockung der Probenzahl, sondern auch mit risikoorientierter Probennahme. Der Fokus richtet sich so zum Beispiel auf Mischfuttermittel für Schweine, bei deren Versorgung Rationen mit Roggenanteilen bis zu 50 Prozent empfohlen werden.

Auch bilden Ergänzungsfuttermittel für Rinder einen Schwerpunkt, da bei der Wiederkäuerfütterung Roggen ein beliebtes Getreide ist aufgrund hoher Erträge bei niedrigen Kosten und der hohen Verwertbarkeit des Rohproteins im Roggen. Für Milchkühe werden bis zu vier Kilogramm Roggen pro Tag empfohlen.

Unter Leitung des Max Rubner-Instituts, einer nachgeordneten Behörde des BMEL, wurde eine Handlungsempfehlung zur Minimierung von Mutterkorn und Ergotalkaloiden in Getreide erarbeitet. So wird beispielsweise empfohlen, Fruchtfolgen zu beachten und sogenannte „Nicht-Wirtspflanzen“ für Mutterkorn zu integrieren, damit der Mutterkornpilz an seiner Ausbreitung gehindert wird. Auch wird zu einer zielgerichteten Vermeidung und Bekämpfung des, insbesondere in Weizenbeständen anzutreffenden, Ackerfuchsschwanz geraten. Tritt bei einer Getreidepartie ein Sklerotienbefall auf, ist eine gründliche Reinigung des Getreides vorzunehmen.

Orientierungswerte

Vorläufige Orientierungswerte für kritische Konzentrationen von Gesamt-Ergotalkaloiden in der täglichen Ration landwirtschaftlicher Nutztiere (mit einer Feuchte von 12 Prozent):

Tierart Orientierungswert (µg/kg)
Aufzuchtferkel, Mastschweine 600
Sauen 30
Rinder und Schafe 100
Masthühner 1900
Legehennen 3700
Mast-Pekingenten 60


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