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Pflanzenschutzmittel und Bienenschutz

Die Honigbiene und andere Insekten sind aufgrund ihrer Bestäubungsleistungen von unschätzbarem ökologischem und ökonomischem Wert für blühende Wild- und Kulturpflanzen. Eine besondere Bedeutung kommt der Honigbiene bei der Bestäubung der zahlreichen Kulturpflanzen zu. Bienenvölker als Bestäuber und die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ist ein Konfliktfeld.


Bienenschutz-Verordnung

In landwirtschaftlichen und gärtnerischen Kulturen ist der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wie Insektiziden, Fungiziden und Herbiziden im Rahmen von Pflanzenschutzmaßnahmen oftmals unverzichtbar. Bienenvölker als Bestäuber und die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ist ein Konfliktfeld. Das Pflanzenschutzgesetz regelt den Umgang mit Pflanzenschutzmitteln von der Begriffs- und Zweckbestimmung über Zulassungsverfahren, Verkehr, Anwendung, Entschädigungsregelungen und Überwachung bis zu den Vorschriften zum Schutz von Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen. Basierend auf dem Pflanzenschutzgesetz wurden weitere Verordnungen erlassen. Honigbienen werden durch die Verordnung über die Anwendung bienengefährlicher Pflanzenschutzmittel (Bienenschutzverordnung) geschützt. Mit der Zulassung erteilt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) u.a. auch Auflagen bzgl. des Bienenschutzes.

Einstufung von Pflanzenschutzmitteln in 4 Kategorien
B1 bienengefährlich
B2 bienengefährlich, außer bei der Anwendung nach dem Ende des täglichen Bienenfluges in dem zu behandelnden Bestand bis 23.00 Uhr
B3
aufgrund der durch die Zulassung festgelegten Anwendung des Mittels werden Bienen nicht gefährdet
B4
nicht bienengefährlich
Zeltversuch Bildrechte: © LAVES
Zeltversuch
Für „bienengefährliche“ Pflanzenschutzmittel gibt es erhebliche Auflagen bei der Anwendung. Die Auflagen gelten für jeden Anwender unabhängig von Eigentumsverhältnissen oder Betriebsgrößen (Landwirt, Auftragsunternehmer, Gärtner oder Kleingärtner). So dürfen keine blühenden oder von Bienen beflogenen Kulturen mit bienengefährlichen Pflanzenschutzmitteln behandelt werden. Dies gilt auch für alle anderen Pflanzen, die sich in bzw. am Rande der zu behandelnden Kultur befinden. Ebenso dürfen bienengefährliche Pflanzenschutzmittel nicht im Umkreis von Bienenvölkern (60 m Abstand) ausgebracht werden. Bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln ist vom Anwender auch die Drift des Spritznebels aufgrund von Wind zu berücksichtigen. Ferner dürfen Bienen nicht mit Pflanzenschutzmitteln bei deren Handhabung, Aufbewahrung und Beseitigung in Berührung kommen. Nicht bienengefährliche Pflanzenschutzmittel dürfen in die Blüte gespritzt werden. Neben diesen 2 Kategorien gibt es eine 3. Kategorie von Pflanzenschutzmitteln, die grundsätzlich als bienengefährlich gelten, allerdings nicht bei der Anwendung nach dem täglichen Bienenflug bis 23.00 Uhr. Eine 4. Kategorie betrifft Pflanzenschutzmittel bei deren Anwendung Honigbienen nicht mit dem Präparat konfrontiert werden.
Bruttest Bildrechte: © LAVES
Bruttest
Untersuchungen von Pflanzenschutzmittel auf Bienengefährlichkeit

Bevor ein Pflanzenschutzmittel zugelassen wird, muss ein umfangreiches Dossier bezüglich zahlreicher Fragestellungen wie zum Beispiel Wirksamkeit gegenüber Zielorganismus, Verträglichkeit bei Nutzorganismus, Anwenderschutz, Rückstandsverhalten, ökologische Verträglichkeit, Nützlingsschutz und Bienenschutz erstellt werden. Der Beurteilung bienengefährlich oder nicht bienengefährlich liegen entsprechende GLP-Prüfstudien von Labor-, Tunnel-(Zelt-), Freilandversuchen sowie Invitro-Larventest nach OEPP/EPPO, OECD und EFSA Richtlinien zu Grunde. Im Laborversuch wird die akute Fraß- und Kontakt-Giftwirkung der Pflanzenschutzmittel über eine Spannbreite von Dosierungen auf Bienenarbeiterinnen ermittelt. Durch den Vergleich dieser Daten zur Giftigkeit (akuten Toxizität) mit der festgelegten Aufwandmenge für die Landwirtschaft können Aussagen zur möglichen Belastung der Bienen und damit zur Bienengefährlichkeit gemacht werden. Ergeben die Laborversuche keine eindeutige Aussage werden Tunnelversuche und ggf. Freilandversuche mit Bienenvölkern durchgeführt. Bei diesen weitergehenden Versuchen wird nicht nur die Mortalität der erwachsenen Bienen ermittelt, sondern zusätzlich werden Verhalten, Brutentwicklung und allgemeine Entwicklung der Bienenvölker dokumentiert und bewertet. Auch werden Untersuchungen zur Gefährdung der Brut, zu chronischen und subletalen Wirkungen und Rückständen durchgeführt. Ferner werden auch Studien zur Wirkung der Pflanzenschutzmittel auf Hummeln und Osmien (Mauerbienen) durchgeführt.

Das LAVES Institut für Bienenkunde Celle führt seit Jahrzehnten Prüfungen von Pflanzenschutzmitteln auf Bienengefährlichkeit durch. Neben den standardisierten Prüfungen werden auch zahlreiche Forschungsaufgaben zu dieser Thematik durchgeführt.
Die Forschung bezieht sich zum einen auf die Optimierung der Prüfungsverfahren zum anderen ergeben sich Aufgaben durch Neuentwicklung von Pflanzenschutzmitteln und deren Anwendung. So war das Bieneninstitut unter anderem in den letzten Jahren an der Entwicklung von Bruttests beteiligt. Ein Brut-Tunneltest liegt inzwischen als OECD Guidance Dokument vor. Ein Invitro-Larventest (Aupinel et al. 2005) wurde im Bieneninstitut Celle für chronische Toxizitätsuntersuchungen weiterentwickelt. Die Durchführung eines Bruttests ist sinnvoll, wenn die potentielle Gefahr besteht, dass ein Wirkstoff die Brutentwicklung stören könnte. An Testsystemen zur Bestimmung der chronischen Toxizität für Larven und erwachsene Bienen hat sich das Bieneninstitut Celle in den vergangenen Jahren beteiligt.
In umfangreichen Untersuchungen zur Wirkung von Stressfaktoren konnte in Versuchen am Bieneninstitut Celle gezeigt werden wie bedeutungsvoll die Ernährungslage und der physiologische Zustand der Bienen auf die Robustheit gegenüber Pflanzenschutzmittelwirkstoffen ist. Bei guter Pollen- und damit Proteinversorgung ist die Physiologie des Körpers gegenüber Giften besser gepuffert als bei Mangelernährung.
Bereits vor über 15 Jahren konnte durch Verhaltensversuche im Celler Institut gezeigt werden, dass subletale Dosen eines Insektizidwirkstoffes die Biene nicht töten, aber das Heimfindevermögen negativ beeinflussen.
Laborversuch Bildrechte: © LAVES
Laborversuch
Bienenvergiftungen

Obwohl die Bienenschutz-Verordnung und die damit geregelte Anwendung der Pflanzenschutzmittel einen relativ hohen Schutz der Bienen sichert, kann es zu Schäden an Bienen und Bienenvölkern kommen. Bei den häufigsten zu verzeichnenden Fehlern der vergangenen Jahre in Niedersachsen wurden bienengefährliche Insektizide auf Kartoffelfeldern ausgebracht. Obwohl die Kartoffelblüte für die Bienen nicht attraktiv ist bzw. die Anwendung außerhalb der Blütezeit stattfand, waren Bienen in die Felder geflogen, da Honigtau und / oder andere Pflanzen, die zwischen den Kartoffelreihen blühten attraktiv für die Bienen waren. In Baden-Württemberg kam es 2008 zu verheerenden Bienenvergiftungen durch Fehler bei der Aussaat von gebeiztem Maissaatgut. Akute Schädigungen durch Vergiftung sind leicht zu erkennen: nur noch wenige Flugbienen, tote, krabbelnde und/oder kreiselnde Bienen vor den Fluglöchern, sowie abgestorbene Bienen auf den Waben. Tragen die Bienen Pollenhöschen, so kann eine Vergiftung durch mit Spritzmitteln behandelte Blüten die Ursache sein. Die Farbe und Art der eingesammelten Pollen gibt Hinweise auf die Trachtquelle und Pflanzenart im Flugkreis. Haben die vergifteten Bienen keine Pollenhöschen, so sind Vergiftungen durch belastetes Wasser oder Honigtau denkbar. Ist die Quelle der Vergiftungen ausgemacht, so muss zur Klärung der Schadensursache Probenmaterial sichergestellt werden.

Bei Bienenschäden durch Pflanzenschutzmittel ist das Julius-Kühn-Institut (JKI; vormals Biologische Bundesanstalt) in Braunschweig per Pflanzenschutzgesetz für ganz Deutschland zuständig. Im Fall der Vermutung von Bienenschäden durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sollte der Imker sofort unter Zeugen (Vertreter des Pflanzenschutzdienstes, Polizei und / oder Gesundheitsobmann des Imkervereins) den Fall dokumentieren und Probenmaterial von toten Bienen (ca. 100 g) und behandelten Pflanzen (mind. 100 g von der Kultur und ggf. auch der Abdriftflächen) an die Untersuchungsstelle für Bienenvergiftungen des JKI in Braunschweig senden. Der Untersuchungsantrag, gleichzeitig Protokollbogen, kann von der Homepage des JKI heruntergeladen werden.

-> Untersuchungsstelle für Bienenvergiftungen des Instituts für Bienenschutz im JKI
Nicht bienengefährliche Pflanzenschutzmittel

Nicht bienengefährliche Pflanzenschutzmittel (B4) dürfen in die Blüte gespritzt werden. Gleichwohl sind auch hier negative Beeinträchtigungen einiger Flugbienen nicht ganz ausgeschlossen. Weiterhin besteht seit vielen Jahren das Problem, dass im Gegensatz zu fast allen anderen Honigen, die völlig frei von Pflanzenschutzmittelrückständen sind, dies für den Rapshonig nicht zutreffend ist. Zahlreiche Untersuchungen von Honigen im Rahmen des Forschungsprojektes FitBee Modul 5 des LAVES Institut für Bienenkunde Celle belegen, dass Honig, wahrscheinlich insbesondere wegen seiner chemisch-physikalischen hydrophilen (= wasserliebend, aber fettabstoßend) Eigenschaften selten und wenn, nur geringfügig belastet ist. In den Rapshonigen werden geringe Mengen der klassischen Wirkstoffe nachgewiesen, die als insektizide oder fungizide Wirkstoffe nach guter landwirtschaftlicher Praxis in die Rapsblüte gespritzt werden. Hierzu zählen vor allem die Wirkstoffe Thiacloprid, Boscalid, Azoxystrobin, Dimoxystrobin. Für den Honig sind entsprechende Rückstandshöchstmengen festgelegt worden. Nach hiesiger Kenntnis sind zwar noch keine Überschreitungen der Höchstmengen festgestellt worden, aber ein Imageproblem für den Rapshonig ist entstanden.
In dem in die Bienenvölker eingetragenen Rapspollen werden deutlich höhere Rückstandsmengen als im Honig nachgewiesen. Dieser Unterschied zwischen den Matrizes Honig und Pollen lässt sich durch die gegensätzlichen chemisch-physikalischen Eigenschaften erklären (Honig ist fettabstoßend, Pollen und Pflanzenschutzmittelwirkstoffe sind fettliebend). Hunderte von Untersuchungen im Rahmen des Deutschen Bienenmonitorings wie auch im oben erwähnten Projekt des Bieneninstitutes Celle belegen, dass sehr viele Pollenproben mit Rückständen von Pflanzenschutzmitteln belastet sind. Die meisten belasteten Proben sind zu verzeichnen, wenn die Bienen an landwirtschaftlichen Kulturen Pollen sammeln. Der direkte Zusammenhang zwischen im Pollen gefundenen Pflanzenschutzmitteln und den Kulturen sowie den für diese Kulturen vorgesehenen Pflanzenschutzmittelprodukten ist offensichtlich. Dieser Pollen wird an die Larven verfüttert. Bisher liegt kein Hinweis vor, dass diese Belastungen zu Schädigungen der Brut führen, gleichwohl ist es eine nicht erwünschte Belastung.

Beide Problembereiche bei der Anwendung von nicht bienengefährlichen Pflanzenschutzmitteln (B4) in die Blüte, 1. die mögliche Schädigung einzelner Flugbienen sowie 2. das Rückstandsproblem, könnten deutlich minimiert werden, wenn die Pflanzenschutzmittelspritzungen nicht in der Hauptflugzeit der Bienen durchgeführt würden. Hier ist nicht von der B2 Regelung für die abendliche Ausbringung nach dem kompletten Ende des Bienenfluges bis 23 Uhr die Rede, sondern eine Ausbringung in den frühen Morgenstunden oder noch besser am späteren Nachmittag nach der Hauptflugzeit des Tages. Wenn sich zum Beispiel während der Rapsblüte gegen Spätnachmittag der Flugbetrieb deutlich reduziert, werden durch die zu dieser Tageszeit ausgebrachten Pflanzenschutzmittel deutlich weniger Bienen getroffen. Weiterhin werden viele Blüten, die von dem Pflanzenschutzmittel benetzt werden, am nächsten Tag nicht mehr blühen oder der Spritzbelag angetrocknet bzw. aufgenommen sein, so dass Nektar und Pollen am Folgetag weniger belastet sind.
Freilandversuch Bildrechte: © LAVES
Freilandversuch
Optimierung des Bienenschutzes

Landwirte und Imker sind aufs Engste über die Honigbienen miteinander verknüpft. Die konsequente Einhaltung der Bienenschutz-Verordnung sollte Bienenverluste verhindern und damit Bienenhaltung und Bestäubung sichern. Nichts ist so gut, dass es nicht verbessert werden kann. Seitens des LAVES Institut für Bienenkunde Celle wird Handlungs- und Untersuchungsbedarf zur weiteren Verbesserungen des Bienenschutzes gesehen.
  • Die Bienenschutz-Verordnung sollte verständlicher formuliert sein.
  • Nicht bienengefährliche Pflanzenschutzmittel sollten möglichst außerhalb des intensiven Bienenfluges angewendet werden.
  • Zum Verfahren des Nachweises von Bienenvergiftungen besteht noch Untersuchungsbedarf.
  • Die Auswirkungen von Saatgutbeizen müssen intensiv untersucht werden.
  • Ausweitung der Standarduntersuchungen zur Risikoabschätzung von Pflanzenschutzmitteln durch Untersuchungen der direkten Auswirkung auf die Brut, zur chronischen Toxizität, zu den Rückstandsmengen in Nektar resp. Pollen etc.
Zahlreiche wichtige Ergebnisse liegen durch die Forschung des LAVES Institut für Bienenkunde Celle vor. Gleichwohl ist weitere Forschung notwendig, denn nichts ist so gut, dass es nicht noch verbessert werden kann.
Pollen sammelnde Biene in einer Rosenblüte (Kartoffelrose)

Pollen sammelnde Biene in einer Rosenblüte (Kartoffelrose)

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