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Empfehlung für Stallklimaprüfungen in schweinehaltenden Betrieben

Stand Februar 2021

Zum Schutz der Schweine gibt es hinsichtlich des Stallklimas rechtliche Vorgaben auf EU-Ebene, die in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung in nationales Recht umgesetzt wurden. Die Überwachung der Umsetzung dieser Rechtsvorschriften liegt im Verantwortungsbereich der für den Tierschutz zuständigen Veterinärbehörden. Gemäß dem im Juli 2019 in Kraft getretenen Aktionsplan zur Verbesserung der Kontrollen zur Verhütung von Schwanzbeißen und zur Reduzierung des Schwanzkupierens bei Schweinen, ist das Stallklima ein bedeutender Risikofaktor für Schwanzbeißen und daher bei den amtlichen Tierschutzkontrollen besonders zu berücksichtigen.

Derzeit besteht jedoch das Problem, dass es zwar rechtliche Vorgaben zu bestimmten Stallklima-Parametern gibt, jedoch kein einheitliches Vorgehen für die Durchführung der Überwachung festgelegt ist. Die Technischen Sachverständigen und der Tierschutzdienst des LAVES haben in dieser Empfehlung Verfahrensanweisungen für die relevanten Messungen sowie Richtwerte für Stallklimaparameter aufgeführt.

Relevante Rechtsvorgaben

Ställe müssen erforderlichenfalls ausreichend wärmegedämmt und so ausgestattet sein, dass Zirkulation, Staubgehalt, Temperatur, relative Feuchte und Gaskonzentration der Luft in einem Bereich gehalten werden, der für die Tiere unschädlich ist (Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung Paragraf 3 Absatz 3 Nummer 2).

Für Haltungseinrichtungen, in denen bei Stromausfall eine ausreichende Versorgung der Tiere mit Futter und Wasser nicht sichergestellt ist, muss ein Notstromaggregat bereitstehen (Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung Paragraf 3 Absatz 5).

In Ställen, in denen die Lüftung von einer elektrisch betriebenen Anlage abhängig ist, müssen eine Ersatzvorrichtung, die bei Ausfall der Anlage einen ausreichenden Luftaustausch gewährleistet, und eine Alarmanlage zur Meldung eines solchen Ausfalles vorhanden sein (Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung Paragraf 3 Absatz 6).

Wer Nutztiere hält, hat (…) sicherzustellen, dass...

  • ...vorhandene Beleuchtungs-, Lüftungs- und Versorgungseinrichtungen mindestens einmal täglich, Notstromaggregate und Alarmanlagen in technisch erforderlichen Abständen auf ihre Funktionsfähigkeit überprüft werden (Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung Paragraf 4 Absatz 1 Nummer 5);
  • ...bei einer Überprüfung nach Nummer 5 oder sonstige an Haltungseinrichtungen festgestellte Mängel unverzüglich abgestellt werden oder wenn dies nicht möglich ist, bis zu ihrer Behebung andere Vorkehrungen zum Schutz der Gesundheit und des Wohlbefindens der Tiere getroffen werden und die Mängel spätestens behoben sind, bevor neue Tiere eingestallt werden (Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung Paragraf 4 Absatz 1 Nummer 6);
  • ...Vorsorge für eine ausreichende Versorgung der Tiere mit Frischluft, Licht, Futter und Wasser für den Fall einer Betriebsstörung getroffen ist (Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung Paragraf 4 Absatz 1 Nummer 7);
  • ...Haltungseinrichtungen so beschaffen sind, dass eine geeignete Vorrichtung vorhanden ist, die eine Verminderung der Wärmebelastung der Schweine bei hohen Stalllufttemperaturen ermöglicht (Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung Paragraf 22 Absatz 2 Nummer 4)
Wer Schweine hält, hat sicherzustellen, dass im Aufenthaltsbereich der Schweine folgende Werte nicht überschritten werden (Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung Paragraf 26 Absatz 3 Nummer 1):


Stoff Wert
Ammoniak 20 ppm
Kohlendioxid 3000 ppm
Schwefelwasserstoff 5 ppm

Wer Saugferkel hält, muss sicherstellen, dass im Liegebereich der Saugferkel während der ersten zehn Tage nach der Geburt eine Temperatur von 30 Grad Celsius und im Liegebereich von über zehn Tage alten Saugferkeln abhängig von der Verwendung von Einstreu die Temperatur nach folgender Tabelle nicht unterschritten wird (Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung Paragraf 27 Absatz 2):


Durchschnittsgewicht in Kilogramm mit Einstreu ohne Einstreu
Bis 10 16 °C 20 °C
Über 10 bis 20 14 °C 18 °C
Über 20 12 °C 16 °C

1. Geeignete Geräte und Messmethoden

1. 1. Messung der Schadgase

Für die Messung der Konzentrationen von Schadgasen wie Ammoniak (NH3), Kohlendioxid (CO2) und Schwefelwasserstoff (H2S) stehen mehrere Methoden zur Verfügung:

Prüfröhrchen (NH3, CO2, H2S):

Die Messung mit Prüfröhrchen ist eine bewährte und häufig verwendete Methode zur Schadgasmessung in Ställen. Die Enden des Röhrchens werden abgebrochen und das Röhrchen wird in eine kleine Handpumpe oder in eine automatische Pumpe eingesetzt, durch die eine definierte Stallluftmenge durch das Röhrchen gepumpt wird. Die Farbveränderung entsteht auf Basis einer chemischen Reaktion. Eine Skala an der Außenseite ermöglicht eine relativ einfache Bestimmung der Gaskonzentration.

Elektronische mobile Messgeräte (NH3, CO2, H2S):

Die meisten elektronischen Messgeräte verwenden einen elektrochemischen Sensor, in dem auf Basis einer chemischen Reaktion Strom proportional zur Gaskonzentration in der Luft erzeugt wird. Der Vorteil dieser Geräte ist, dass sie mit verschiedenen Sensoren sowie einem Datenspeicher ausgestattet werden können. Obwohl elektronische Messgeräte sehr genau sein können, gibt es einige Probleme im Zusammenhang mit ihrer Verwendung. Zum einen können chemisch bedingte Querbeeinflussungen zwischen verschiedenen Gasen den Messwert verändern, zum anderen kann bei einigen Geräten bei einer längeren Gasexposition die Messfunktion der Sensoren beeinträchtigt werden. Ein Großteil der verfügbaren Messgeräte am Markt ist nicht für eine kontinuierliche Messung geeignet sondern dient dem Personenschutz. In diesem Fall sind die Geräte nicht geeignet. Zusätzlich ist zu beachten, dass die Geräte regelmäßig gewartet und kalibriert werden müssen.

Stationäre Gasmesseinrichtungen (insbesondere NH3):

Stationäre Fühler für die NH3-Messung in Schweinebeständen, können in der Regel an handelsübliche Klimasteuerungen angeschlossen werden und lassen sich somit gut in bestehende Ställe integrieren. Geräteabhängig wird entweder kontinuierlich oder diskontinuierlich (in voreinstellbaren Intervallen) gemessen. Auch diese Geräte können mit verschiedenen Sensoren sowie einem Datenspeicher ausgestattet werden. Auf diese Weise kann insbesondere die NH3-Konzentration dauerhaft gemessen und überwacht werden. Auch die Aufzeichnung der Messwerte kann leicht realisiert werden. Stationäre Fühler eignen sich somit vor allem für die Kontrolle durch den Tierhalter, sie können aber auch mit einem Datenlogger kombiniert von Stallklimaexperten oder der zuständigen Behörde für Langzeitmessungen verwendet werden.

Teststreifen (NH3):

Die Verwendung von Teststreifen ist eine sehr kostengünstige Methode, um einen „Eindruck“ der Ammoniakkonzentration zu bekommen; diese könnte insbesondere für die regelmäßigen Eigenkontrollen des Tierhalters interessant sein. Ein kleiner Papierstreifen wird mit destilliertem Wasser angefeuchtet und dann 15 Sekunden lang der Stallluft ausgesetzt. Der durch eine chemische Reaktion stattfindende Farbwechsel kann dann mit der mitgelieferten Farbkarte (5, 10, 20, 50 und 100 ppm) verglichen werden. Die Genauigkeit der Messung ist jedoch nicht vergleichbar mit den übrigen Messmethoden. Wenn die Messwerte im Grenzbereich zu 20 ppm oder darüber liegen, sollte zur Ermittlung eines genauen Wertes zusätzlich mit einem anderen Prüfsystem (zum Beispiel Prüfröhrchen) gemessen werden.

Den für die Überwachung des Tierschutzes zuständigen Behörden kann für die punktuelle Messung von Schadgasen die Messung mittels Prüfröhrchen empfohlen werden. Bei begründetem Verdacht auf hohe Schadgaskonzentrationen sollte das Stallklima durch einen Stallklimaexperten überprüft werden. Im Rahmen einer solchen Überprüfung können gegebenenfalls kontinuierliche Messungen durchgeführt werden.


1. 2. Messung der Temperatur

Für die Bestimmung eines Einzelwertes der Temperatur kann ein kalibriertes Luftthermometer verwendet werden. Für die Messung der Oberflächentemperatur (zum Beispiel im Ferkelnest) eignet sich ein Infrarotthermometer. Auch für die Temperaturmessung gibt es Datenerfassungs- und Speichergeräte, die eine kontinuierliche Messung ermöglichen. Bei den Kontrollen können die Temperaturangaben der Regelgeräte einbezogen werden. Die Überprüfung der Temperaturfühler mittels (Minimum-Maximum) Thermometer gehört zur guten fachlichen Praxis. Diese Thermometer – die häufig an den Fühlern hängen – können im Rahmen einer Kontrolle zusätzliche Informationen bieten.


2. Auswahl der Messpunkte für die Schadgasmessung

Es wird empfohlen pro Nutzungsgruppe 3 bis 6 Messpunkte zu wählen. Die Messpunkte sollten je nach Nutzungsgruppe wie folgt aufgeteilt werden:

  • Deck- / Wartebereich: 3 Messpunkte;
  • Abferkelbereich: Ein Abteil direkt nach den Geburten (3 Messpunkte), ein Abteil kurz vor dem Absetzen (3 Messpunkte);
  • Ferkelaufzucht: Ein Abteil am Anfang der Ferkelaufzucht (3 Messpunkte), ein Abteil am Ende der Ferkelaufzucht (3 Messpunkte);
  • Mast: Ein Abteil Vormast (2 Messpunkte), ein Abteil Mittelmast (2 Messpunkte) und ein Abteil Endmast (2 Messpunkte).

Bei der Auswahl der Buchten sollten Hinweise auf ein suboptimales Stallklima (weitere Informationen dazu auch in Kapitel 4: tierbezogene Indikatoren, insbesondere Schwanz- und Ohrenverletzungen, Haufenlage, kotverschmutzte Schweine) berücksichtigt werden. Falls keine Auffälligkeiten feststellbar sind, sollten die Messpunkte gleichmäßig über das Abteil verteilt sein. Die Messungen sollten auf Kopfhöhe, möglichst im Liegebereich der Tiere und nicht im Kotbereich durchgeführt werden. In Deckzentren mit Kastenstandhaltung sollte in Kopfhöhe der Sauen gemessen werden, im Abferkelbereich sollte sowohl in Kopfhöhe des Sau als im Ferkelnest gemessen werden. Bei Schweinen in Gruppenhaltung sollte im vorgesehenen Liegebereich der Schweine auf Kopfhöhe gemessen werden.


3. Grenz- und Richtwerte

3.1. Schadgase

Schadgas Gesetzlicher Grenzwert
Empfohlener Maximalwert
NH3
20 ppm
10 ppm
CO2
3000 ppm
2000 ppm
H2S
5 ppm
3 ppm

Quelle: Ratgeber zur Reduzierung des Risikos auf Schwanzbeißen. ML Niedersachsen


3.2. Temperaturempfehlungen

Nutzungsgruppe Gewicht (kg)
Temperatur Warmstall (°C)
Temperatur Kaltstall (°C)
Saugferkel ≤ 10. Lebenstag
1 bis 3
33 > 30*
33 > 30*
Saugferkel > 10. Lebenstag
3 bis 10
30 > 26*
30 > 22*
Absetzferkel
5 bis 30
28 > 22*
26 > 22*
Vormastschweine
28 bis 50
22 > 18*
22 > 15*
Mittel- / Endmastschweine
50 bis 120
20 > 16*
18 > 9*
Jungsauen, Sauen Eber
> 120
14 bis 20
8 bis 15
Säugende Sauen
> 120
12 bis 20
5 bis 15
* Mit zunehmendem Alter wird die Lufttemperatur abgesenkt

**Temperaturempfehlungen im Kaltstall gelten für den unmittelbaren Umgebungsbereich, zum Beispiel die Liegefläche. Die Temperaturbereiche, innerhalb derer sich die Tiere anpassen können, sind größer als die angegebenen Temperaturbereiche.

Quellen:

  1. Ratgeber zur Reduzierung des Risikos auf Schwanzbeißen. ML Niedersachsen
  2. Lufttemperatur nach DIN 18910
  3. Fachinformation Tierschutz Nummer 8.6_(1)_d vom 19. März 2009 des Schweizerischen Bundesamtes für Veterinärwesen
  4. TierSchNutztV Fassung der Bekanntmachung 22. August 2006, letzte Änderung 29. Januar 2021 (BGBl. I Seite 146)
  5. Lehrbuch der Schweinekrankheiten von K.-H. Waldmann und M. Wendt (Herausgeber), begründet von H. Plonait und K. Bickhardt, 4. Auflage (2004)
  6. DLG-Merkblatt 346: Kühlung von Schweineställen


4. Tierbezogene Indikatoren

Die Erfassung von tierbezogenen Indikatoren ermöglicht Rückschlüsse auf die Auswirkungen der Haltung – in diesem Fall des Stallklimas – auf das Wohlergehen der Schweine. Daher ist – zusätzlich zu den Messungen von Stallklimaparametern – eine Erfassung der tierbezogenen Indikatoren sinnvoll. Hierzu können unter anderem auch Schlachtbefunde genutzt werden. Die in der Tabelle aufgeführten tierbezogenen Indikatoren eignen sich besonders für eine Beurteilung des Stallklimas bei Aufzuchtferkeln und Mastschweinen. Weitere Informationen gibt es in der KTBL Sonderveröffentlichung „Tierschutzindikatoren: Leitfaden für die Praxis - Schwein“ (2016) und das "Welfare Quality Assessment Protocol für Pigs" verwiesen.

Indikator
Erhebung Betrieb
Erhebung Schlachthof
Bemerkung
Tierverluste
x
Verlustursachen beachten
Therapiehäufigkeit Antibiotika
x
Indikation (Atemwegserkrankungen) tierärztliche Abgabe und Anwendungsbelege beachten
Brustfellentzündungen
x
Lungenentzündungen
x
Herzbeutelentzündungen
x
Schwanzlänge
x
x
Erhebung am Schlachthof ist möglich, wird aber nicht routinemäßig durchgeführt
Schwanzverletzungen
x
x
Ohrverletzungen
x
x
Erhebung am Schlachthof ist möglich, wird aber nicht routinemäßig durchgeführt
Kotverschmutzung
x
Möglicher Hinweis auf zu hoher Umgebungstemperatur
Husten
x
Niesen
x
Hecheln
x
Hitzestress oder zum Beispiel nach Rangkämpfen
Pumpen
x
Haufenlage
x
Umgebungstemperatur zu niedrig


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