Empfehlungen für die ganzjährige und saisonale Weidehaltung von Schafen
In Niedersachsen werden derzeit etwa 172.800 und damit rund elf Prozent der bundesweit vorhandenen Schafe gehalten 1. Wurden Schafe in der Vergangenheit vorwiegend in Haupterwerbsschäfereien von ausgebildeten Fachkräften gehalten, hat in den letzten Jahren die Zahl der Nebenerwerbs- und Hobbyschafhaltungen, deren Tierhalter das Schäferhandwerk in der Regel nicht erlernt haben, stark zugenommen. In der Folge kommt es in diesen Schafhaltungen aufgrund fehlender Erfahrung, mangelndem Fachwissen und unzureichender Betreuung nicht selten zu erheblichen Problemen. Von besonderer Bedeutung ist in Niedersachsen die Schafhaltung zur Deich- sowie Biotop- und Landschaftspflege. Diese Formen der Tierhaltung bergen spezielle Probleme und stellen ganz besondere Anforderungen.
Bis heute gibt es keine spezialgesetzlichen Regelungen für die tierschutzfachliche Beurteilung der ganzjährigen oder saisonalen Weidehaltung von Schafen. National einschlägig sind das Tierschutzgesetz als Rahmengesetz sowie die allgemeinen Bestimmungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung.
Daneben sind die Europaratsempfehlungen für das Halten von Schafen (PDF, nicht barrierefrei) aus dem Jahr 1992 anzuwenden, die sich mit der Weidehaltung aber nur am Rande befassen. Das Fehlen einer detaillierten Beurteilungsgrundlage führt dazu, dass sowohl seitens der Veterinärbehörden als auch der Tierschutzorganisationen unterschiedliche tierschutzfachliche Anforderungen im Rahmen der Umsetzung von § 2 Tierschutzgesetz gestellt und in Problemfällen vorgefundene Sachverhalte unterschiedlich eingeschätzt werden.
Um hier Abhilfe zu schaffen und die tierschutzfachlichen Anforderungen an die Weidehaltung von Schafen zu konkretisieren, hat das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung (ML) bereits Mitte der 90er Jahre eine Arbeitsgruppe unter Federführung des Tierschutzdienstes mit der Erstellung einer entsprechenden Tierschutzleitlinie beauftragt. Unter Mitwirkung von Vertretern der Wissenschaft (Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, Universität Göttingen), der niedersächsischen Veterinärbehörden, des Schafgesundheitsdienstes der Landwirtschaftskammer und der Landesschafzuchtverbände, des Tierschutzbeirates sowie mehrerer Berufsschäfer wurden dabei die Europartsempfehlungen konkretisiert und auf niedersächsische Verhältnisse übertragen. Es wurden insbesondere diejenigen Bereiche der Schafhaltung angesprochen, die erfahrungsgemäß Probleme bereiteten beziehungsweise immer wieder Anlass zur Kritik gaben. Die erarbeiteten „Empfehlungen für die ganzjährige und saisonale Weidehaltung von Schafen“ wurden schließlich per Erlass des ML an alle Veterinärbehörden Niedersachsens mit der Vorgabe versandt, sie künftig bei der tierschutzfachlichen Beurteilung der Freilandhaltung von Schafen zugrundezulegen. Gleichzeitig sollten sie Tierhaltern und Tierschutzorganisationen für die tierschutzgerechte Gestaltung der Weidehaltung Hilfestellung geben.
Die Erarbeitung der Empfehlungen war beispielhaft für eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Landwirten, Verbänden, Wissenschaftlern und Veterinärbehörden. Die Einbindung aller mit der Schafhaltung befassten Gruppen hat nicht nur wesentlich zur Entspannung auch ursprünglich gegensätzlicher Positionen beigetragen, sie hat zudem dazu geführt, dass die Empfehlungen, obwohl sie keinen „Gesetzescharakter“ haben, mittlerweile doch gerichtsfest sind, da sie von Richtern und Staatsanwälten in Ermangelung einschlägiger Rechtsvorschriften als Sachverständigengutachten für die Beurteilung von Freilandhaltungen zugrundegelegt werden.
Seitdem sind die Empfehlungen unter Berücksichtigung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse und Praxiserfahrungen vollständig überarbeitet und ergänzt worden. Einige ausgewählte Kapitel der Empfehlungen werden im Folgenden exemplarisch vorgestellt. Der Volltext der Empfehlungen ist als Download über das Internetportal des LAVES verfügbar.
1(Quelle: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen, 2018 bzw. Bundesamt für Statistik, 2018)
Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung fordert in § 3 Abs. 2 Nr. 3 einen ausreichenden Schutz der Tiere vor widrigen Witterungseinflüssen. Niedrige Temperaturen in Verbindung mit anhaltenden Niederschlägen und hohen Windgeschwindigkeiten zählen bei Schafen zu den besonders belastenden Klimafaktoren. Sie führen zur Durchfeuchtung der Wolle, wodurch ihre isolierende Wirkung herabgesetzt wird und vermehrt Verdunstungskälte entsteht. Durch starken Wind kühlt der Körper übermäßig aus und durch das Liegen auf kaltem, nassem Boden wird die Wärmeabgabe durch Wärmeleitung zusätzlich erhöht.
Um diese Wärmeverluste zu vermeiden, legen sich Schafe unter diesen Bedingungen häufig gar nicht mehr hin. Nicht selten ist die so ausgelöste hohe Stehfrequenz Ursache für Verdauungsstörungen infolge reduzierter Wiederkäutätigkeit und Erschöpfungszuständen. Im Sommer können hohe Temperaturen zur Überhitzung der Tiere bis hin zum Hitzschlag führen, insbesondere wenn die erforderliche Schur unterblieben ist und den Schafen nicht genügend Tränkwasser zur Verfügung steht. Bei frisch geschorenen Schafen besteht die Gefahr des Sonnenbrandes durch intensive Sonneneinstrahlung. Hiervon sind vor allem Schafe mit gering pigmentierter Haut betroffen.
Die Weidehaltung von Schafen erfordert deshalb einen Witterungsschutz, durch den Kälte- und Hitzebelastungen, die körpereigene Temperaturregulationsmechanismen überfordern, vermieden werden. In der kalten Jahreszeit muss zusätzlich allen Tieren ein trockener, gegen Regen und Wind geschützter Liegeplatz zur Verfügung gestellt werden.
Ein den Tierbedürfnissen angepasster Schurtermin zwischen Mitte Mai und Ende Juni und ein guter Ernährungszustand der Tiere sind weitere wichtige Voraussetzungen zur Vermeidung von Schäden durch extreme Kälte- und Hitzebelastungen. Bei der Auswahl von Zuchttieren sollte auf eine gute Bauchbewollung geachtet werden.
Als Witterungsschutz können sowohl natürliche Gegebenheiten als auch künstliche Einrichtungen genutzt werden. Zu den natürlichen Schutzvorrichtungen zählen Hecken, Bäume, Büsche, Wald und ähnlich. Sie müssen ganztägig und ganzjährig wirksam sein, so dass sie bei jeder Windrichtung, bei Schnee und bei Regen ebenso wie bei starker Sonneneinstrahlung ihre Funktion ausreichend erfüllen. Andernfalls müssen sie durch zusätzliche Einrichtungen ergänzt werden. In der kalten Jahreszeit sind unbelaubte und einzeln stehende Bäume keinesfalls ausreichend.Zu den künstlichen Schutzvorrichtungen gehören eingestreute Flächen, Windschutzwände aus Strohballen oder Planen sowie zwei- bis dreiseitig geschlossene, überdachte Unterstände, die von der Hauptwindrichtung abgewandt sind. In der kalten Jahreszeit muss der Boden der Schutzvorrichtung eingestreut werden oder eine andere Wärmedämmung vorhanden sein. Die Liegefläche muss dabei so bemessen sein, dass alle Tiere gleichzeitig liegen können (Richtwert bei Schafen über 70 kg Körpergewicht = 0,5 m² pro Tier).
Für Deichschäfereien sollten im Hinterland an trockenen, geschützten Stellen Pferchplätze als Ausweichflächen zur Verfügung stehen, auf denen ein ausreichender Witterungsschutz vorhanden ist beziehungsw errichtet werden kann. Fehlen diese Flächen, dürfen die Schafe nur dort geweidet werden, wo ein Witterungsschutz innerhalb eines Tages erreicht werden kann.
Bei den meisten Schafrassen findet erblich bedingt kein Wollwechsel mehr statt. Sie müssen deshalb mindestens einmal pro Jahr vollständig geschoren werden. Dies gilt für alle heimischen Wollschafrassen einschließlich der Heid- und Moorschnucken. Unterbleibt die regelmäßige Schur, wird das Wärmeregulationsvermögen der Tiere empfindlich gestört. Außerdem kann die Ektoparasitenbelastung stark zunehmen, und neugeborene Lämmer haben Schwierigkeiten, die Zitzen zu finden. Im Frühjahr darf frühestens nach den Eisheiligen (Mitte Mai), besser noch nach der Schafskälte (Anfang Juni) geschoren werden. Der späteste Schurtermin sollte bei ganzjähriger Weidehaltung mindestens vier Monate vor Beginn der kalten Jahreszeit liegen, damit bis zum Einsetzen der ersten Nachtfröste genügend Wolle nachgewachsen ist und eine Auskühlung der Schafe vermieden wird. Als Richtzeit für die Schur sollte deshalb der Zeitraum Mitte Mai bis Ende Juni eingehalten werden.
Zum Schurtermin müssen sich die Schafe in guter Kondition befinden. Auch bei sachgerechter Durchführung bedeutet das Scheren für die Tiere eine besondere Stressbelastung. Deshalb ist der schonende Umgang mit ihnen oberstes Gebot, um sie nicht unnötig zu beunruhigen und Verletzungen zu vermeiden. Entstandene Scherwunden müssen unverzüglich versorgt werden. Die Schur darf nur von versierten Schafscherern durchgeführt werden. Sie sollten eine fundierte Ausbildung, zumindest aber den erfolgreichen Abschluss eines Sachkundelehrgangs zum Scheren nachweisen können. Entsprechende Lehrgänge werden in Niedersachsen beispielsweise regelmäßig von der Landwirtschaftskammer in Zusammenarbeit mit den Schafzuchtverbänden angeboten. Scherinstrumente müssen stets in voll gebrauchsfähigem Zustand sein und zur Vermeidung der Übertragung von Haut- und Wollparasiten sowie Infektionserregern regelmäßig gesäubert und desinfiziert werden (das heißt mindestens von Bestand zu Bestand).
Bei nasskaltem Wetter benötigen frisch geschorene Schafe zumindest innerhalb der ersten 24 Stunden unbedingt einen Witterungsschutz. Bei starker Sonneneinstrahlung muss mindestens für die ersten 10 Tage nach der Schur ein schattiger Platz vorhanden sein, um Sonnenbrände zu vermeiden. Wichtig ist eine intensive, gegebenenfalls mehrfach tägliche Kontrolle der Tiere in den ersten Tagen nach der Schur, um beim Auftreten von Komplikationen unverzüglich eingreifen zu können.
TränkwasserversorgungObwohl der Wassergehalt des Grases in Abhängigkeit vom Vegetationsstadium relativ hoch sein kann, vermag das Schaf – entgegen der weit verbreiteten Meinung – seinen Wasserbedarf auch bei Weidehaltung nicht immer über das in der Nahrung gebundene Wasser zu decken. Pro Kilogramm aufgenommene Futtertrockenmasse muss ein Wasserbedarf zwischen 2 und 4 Litern veranschlagt werden. Folglich kann die zusätzliche Wasseraufnahme eines erwachsenen Schafes bei 1,5 bis 4 Litern liegen. Entscheidenden Einfluss auf den Wasserbedarf haben die klimatischen Verhältnisse. Während ausgedehnter Hitzeperioden kann er von 3 auf 7 Liter pro Tier und Tag, bei laktierenden Muttern sogar auf bis zu 18 Liter ansteigen. Können die Tiere schattige Plätze aufsuchen, kann die Wasseraufnahme auf die Hälfte bis hin zu einem Fünftel der sonst notwendigen Menge gesenkt werden. Während der Sommermonate sollten deshalb unbedingt Schattenbereiche vorhanden sein. In der Koppelschafhaltung grasen die Tiere in dieser Zeit bevorzugt früh morgens und spät abends, wenn das Gras feucht vom Tau ist. Die aufgenommene Wassermenge pro Tier und Tag variiert aber auch in Abhängigkeit von Gewicht, Alter und Leistung der Schafe. Schwere und hochleistende Milch- und Fleischschafe benötigen größere Mengen als leichte Landschafe.
Daher muss allen Schafen in Freilandhaltung ganzjährig Wasser zur freien Aufnahme zur Verfügung gestellt werden. Das Wasser sollte nach Möglichkeit Trinkwasserqualität haben. Brackwasser ist für die Versorgung von Schafen nicht geeignet.
Auch im Winter muss Tränkwasser zur freien Aufnahme zur Verfügung stehen. Beheizbare Tränken oder energiesparende Isolierbehälteranlagen, die ohne Stromversorgung funktionieren, verhindern das Einfrieren des Tränkwassers. Die Aufnahme von Schnee kann zur Wasserversorgung der Tiere beitragen, reicht aber in der Regel nicht aus. Steht bei starkem Frost oder im Rahmen der Hüte- und Wanderschäferei eine ständige Tränkemöglichkeit ausnahmsweise nicht zur Verfügung, sind Schafe mindestens einmal täglich, laktierende Muttern mindestens zweimal täglich zu tränken. Bewegliche Tränken sind stationären vorzuziehen, weil durch Platzwechsel eine Verschlammung des Tränkebereiches verhindert werden kann. Andernfalls ist der Tränkeplatz zu befestigen. Grundsätzlich sollten Schafe nicht an unbefestigten Ufern natürlicher Gewässer trinken, weil es durch Morastbildung und Wasserverschmutzung im Uferbereich zu erhöhtem Infektionsrisiko, zu Parasitenbefall oder Moderhinkeverbreitung kommen kann.
Die regelmäßige Kontrolle der Tränkeeinrichtung gehört zur Sorgfaltspflicht des Tierhalters. Insbesondere bei ausgedehnten Hitze- oder Kälteperioden muss die Funktionsfähigkeit der Tränkeeinrichtung täglich überprüft werden.
AblammungDa die Kältetoleranz der neugeborenen Lämmer begrenzt ist, darf die Ablammung während der kalten Jahreszeit im Freien nur mit Witterungsschutz erfolgen. Außerdem sollte bewusst auf Schafe mit guten Muttereigenschaften selektiert werden, die ihre Lämmer sofort nach der Geburt trocken lecken. Der Ablammplatz muss sauber, trocken, windgeschützt und in der kalten Jahreszeit auch eingestreut sein. Kann kein ausreichender Witterungsschutz angeboten werden, ist die Ablammzeit durch eine entsprechende Wahl der Deckzeit in die wärmere Jahreszeit zu verlegen.
Eine problemlose und ordnungsgemäße Ablammung setzt eine entsprechende Vorbereitung der Mutterschafe voraus. Auf eine der Hochträchtigkeit angepasste Fütterung ist entsprechend der Kondition der Tiere, besonders in den letzten sechs bis acht Wochen vor der Ablammung, zu achten. Andernfalls besteht die Gefahr, dass zu leichte und damit lebensschwache Lämmer geboren werden. Außerdem müssen die Mutterschafe das Euter aufbauen, um eine optimale Milchleistung zu gewährleisten. Hochtragende Schafe müssen besonders schonend behandelt werden, um Frühgeburten zu vermeiden.
Die Mutterschafe sollten rechtzeitig vor Beginn der Ablammperiode auf eine speziell eingerichtete Ablammkoppel getrieben werden, damit sie sich eingewöhnen und an die herrschenden Umweltbedingungen anpassen können. Die Koppel sollte eine intensive Beobachtung der Tiere ermöglichen und deshalb eine gute Übersicht gewähren. Wasserführende Gräben dürfen nicht zugänglich sein, um das Ertrinken Neugeborener zu verhindern. Außendeichflächen sind zum Ablammen grundsätzlich ungeeignet. Empfehlenswert ist die Einrichtung eines geeigneten Pferches für das Absondern von Einzel- bzw. Problemtieren sowie geeigneter Unterbringungsmöglichkeiten für lebensschwache Lämmer bzw. die Aufzucht von Waisen. Ablammpferche sind einzustreuen und regelmäßig zu reinigen, ge auch zu desinfizieren.
Die Anzeichen einer Geburt müssen dem Betreuer bekannt sein. Er muss in der Lage sein, selbst sachgerecht Hilfe zu leisten oder dafür sorgen, dass gegebenenfalls rechtzeitig fachmännische Hilfe zur Verfügung steht. Bei vollschurig bewollten Muttern wird das Freischeren von Genitalbereich und Euter empfohlen. Dies verbessert die hygienischen Geburtsbedingungen und erleichtert dem Lamm das Auffinden der Zitzen. Für den Fall einer Schwergeburt müssen sauberes, warmes Wasser, Desinfektionsmittel und Geburtshilfegleitmittel bereitgestellt werden. Der Nabel der neugeborenen Lämmer sollte unverzüglich nach der Geburt desinfiziert werden. Lebensnotwendig ist die frühe (innerhalb der ersten vier Lebensstunden) und ausreichende Kolostrumaufnahme der Neugeborenen; sie ist daher unbedingt zu gewährleisten. Für Problemfälle sollte Biestmilchersatz oder Lämmermilch vorrätig gehalten werden.
Bei Auftreten von Todesfällen sollte die Ursache ermittelt und bei unklarem Krankheitsgeschehen möglichst frühzeitig ein Tierarzt hinzugezogen werden.
Die Kontrollintensität muss während der Ablammperiode in jedem Fall erhöht werden, das heißt, je nach Bedarf von ein- auf mindestens zwei- bis dreimal täglich. Dazu wird eine zeitliche Begrenzung der Ablammperiode auf sechs bis acht Wochen empfohlen. Bei ganzjähriger Ablammung der Herde sollten entsprechende Gruppen gebildet werden, die innerhalb von sechs bis acht Wochen gemeinsam lammen und während dieser Zeit intensiv betreut werden. Der Zugriff auf die Tiere muss jederzeit möglich sein, um bei Geburtsschwierigkeiten Hilfe leisten zu können. Gibt es keine begrenzte Lammzeit, ist ständig eine erhöhte Aufmerksamkeit des Betreuers nötig.
Von besonderer Bedeutung ist die Bildung der Mutter-Lamm-Beziehung. Unmittelbar nach der Geburt lecken Schafmütter ihre Lämmer trocken. Durch diese wichtige Verhaltensweise wird einerseits der Aufbau der Mutter-Lamm-Beziehung gewährleistet und andererseits die Unterkühlung der Neugeborenen verhindert. Beim Ablammen im Stall sollten Mutter- und Jungtiere deshalb mindestens 24 Stunden von den anderen Tieren getrennt gehalten werden, damit die Lämmer genügend Kolostralmilch aufnehmen und sich die Bindung zwischen beiden ungestört bilden kann.
EinzäunungEinzäunungen müssen ausbruchsicher sein und dürfen keine Verletzungsgefahr für die Tiere bergen. Dabei stellt das Schaf im Vergleich zum Rind höhere Anforderungen an die Qualität der Einzäunung, da Schafe je nach Rasse und örtlichen Gegebenheiten eher zum Ausbrechen neigen. In der Praxis haben sich vor allem Drahtknotengitter- und Elektrozäune bewährt. Die alleinige Einzäunung mit Stacheldraht ist aus Tierschutzgründen nicht zulässig, da sich Schafe beim Unter- oder Durchschlüpfen erheblich verletzen oder aber mit der Wolle verfangen können.
Als dauerhafte Außenumzäunung für Schafweiden werden häufig Drahtknotengitter eingesetzt. Wichtig ist dabei, dass die engen Felder unten liegen, das Gitter stets straff gespannt ist und die Verbindungen der einzelnen Drahtrollen miteinander stabil und belastbar sind. Der untere Draht muss dicht über dem Boden verlaufen (≤ 5 cm), bei Bodenunebenheiten gegebenenfalls sogar am Boden festgeflockt werden, damit die Tiere nicht darunter durchschlüpfen können. Bei Schafen mit Hörnern ist die Gefahr des Verfangens besonders groß, so dass intensive Kontrollen erforderlich sind.
Aus Tierschutzsicht ist zu tolerieren, wenn am oberen Rand des Knotengitterzaunes im Abstand von 10 bis 15 cm zusätzlich ein Stacheldraht gezogen wird, der in erster Linie der Abwehr von Hunden dient und den Zutritt Unbefugter erschwert. In dieser Höhe birgt er für die Schafe normalerweise kein Risiko. Ebenso kann ein direkt am Boden entlang des Zaunes gezogener Stacheldraht toleriert werden, weil er nicht nur das Hineingelangen von Hunden, sondern auch das Durchschlüpfen und damit Ausbrechen von Schafen verhindert, ohne die Tiere zusätzlich zu gefährden.
Elektrozäune werden hauptsächlich in Form von Netzen oder mehrreihigen Litzenzäunen verwendet. Die Hütesicherheit wird durch die Höhe der Zaunspannung und der Impulsenergie, die Anzahl und Anordnung der Zaundrähte und die optische Wirkung des Zaunes bestimmt. Wie Rinder und Pferde empfinden auch Schafe die Stromstöße als unangenehm und weichen nach Berührung erschreckt zurück. Sie lernen dadurch, den Zaun zukünftig zu meiden. Dafür muss der Zaun aber ständig mit ausreichender Spannung versorgt werden.
Insbesondere bei der Verwendung von Elektronetzen besteht die Gefahr, dass sich Schafe im Zaun verfangen und ihnen durch die anhaltenden Stromstöße erhebliche Schmerzen, Leiden und Schäden zugefügt werden, die sogar zum Tode führen können. Vor allem Schafe mit Hörnern und unerfahrene Jungtiere können deshalb nicht auf Weiden mit Elektronetzen als Einzäunung gehalten werden, da sie sich erfahrungsgemäß besonders leicht verfangen. In jedem Fall bedarf es beim Einsatz von Elektronetzen einer besonderen Eingewöhnungszeit und intensiver Beobachtung, um rechtzeitig eingreifen zu können, wenn sich ein Tier verfangen hat. Da Schafe weitsichtig sind, erkennen sie aus der Nähe einen dünnen Draht nicht; vielmehr wird der Zaun aus der Entfernung als Ganzes wahrgenommen. Stromführende Zaunlitzen sollten deshalb gut erkennbar sein und damit auch optisch auf die Tiere wirken.
Unabhängig von der verwendeten Zaunart gilt der Grundsatz: „Eine gute Weide ist der beste Zaun“.
Die ausreichende und bedarfsgerechte Fütterung trägt wesentlich dazu bei, das Ausbrechen der Schafe aus der Weide und dadurch bedingte Verletzungen zu verhindern. Alte und nicht mehr in Benutzung befindliche Zäune und Zaunreste müssen unbedingt entfernt werden, da sie eine Verletzungsgefahr für alle Nutz- und Wildtiere darstellen.
In der Küstenregion Niedersachsens einschließlich der Marschen finden sich zahlreiche Grüppen, das heißt kleine Gräben, zur Entwässerung der Weiden. Oft bilden sie die einzige Struktur des Geländeprofils auf weiten, sonst ebenen Weideflächen. Gerade deshalb werden sie zu einer Gefahr für Schafe, denn das Gefälle der Uferränder wird von den Tieren als Sicht- und Windschutz genutzt, vorzugsweise beim Ablammen. Lämmer, die auf den schrägen Flächen geborenen werden, sind durch das intensive Trockenlecken und die fehlende Standfestigkeit in den ersten Lebensstunden besonders gefährdet. Zur Ablammung sind grüppenhaltige Flächen deshalb nicht geeignet.
Aber auch das Tränken der Schafe aus Grüppen und Gräben ist gefährlich. Das starke Ufergefälle erfordert ein tiefes Absenken des Oberkörpers. Gleichzeitig sinken die Vorderfüße unter Umständen in die durchweichten Uferbereiche ein, so dass die Tiere leicht das Gleichgewicht verlieren und in die schmale, grundlose Grüppe oder den Graben rutschen. Da sich die Wolle voll Wasser saugt, können sich die Schafe in der Regel nicht selbst befreien. Sie ertrinken oder sterben an Unterkühlung und totaler Erschöpfung, wenn sie nicht rechtzeitig gefunden und geborgen werden.
Nach § 2 Tierschutzgesetz ist jeder, der ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, unter anderem verpflichtet, das Tier angemessen zu pflegen. Dazu zählt die Gesundheitsvorsorge einschließlich vorbeugender Impfungen und der Bekämpfung von Endo- (Innen-) und Ektoparasiten (Außenparasiten) sowie die Klauenpflege. Voraussetzung ist, dass der Schafhalter die Herde täglich kontrolliert und aufmerksam beobachtet. Er muss bereits am Verhalten und an äußeren Anzeichen kranke Tiere erkennen können und gegebenenfalls eine intensive Einzeltieruntersuchung vornehmen. Erkrankte Tiere sollten von der Herde abgesondert und bei Bedarf aufgestallt werden. Sie sind unverzüglich zu behandeln, gegebenenfalls ist ein Tierarzt hinzuzuziehen.
Die wenig offensichtlichen Schmerzreaktionen im Verhalten von Schafen dürfen nicht mit einer Schmerzunempfindlichkeit verwechselt werden. Leidensfähigkeit und Belastbarkeit der Schafe werden oft überschätzt; Ansprüche an Fütterung, Pflege und Haltungsbedingungen werden dagegen häufig unterschätzt.
Parasitäre Erkrankungen, besonders die durch Endoparasiten hervorgerufenen, sind die häufigste Ursache für verminderte Leistungsfähigkeit oder Totalverluste in der Schafhaltung. Systematische und vorbeugende Maßnahmen gegen Parasitenbefall sind deshalb unerlässlich, um Schmerzen, Leiden und Schäden für das Tier und in der Folge auch wirtschaftliche Einbußen zu vermeiden. Neben weide- und allgemeinhygienischen Maßnahmen ist in der Regel der gezielte Einsatz von Antiparasitika erforderlich. Zur Ermittlung des Befalls sollten regelmäßig parasitologische Kotuntersuchungen in geeigneten Laboren einschließlich Resistenztest durchgeführt werden. Auf der Grundlage dieser Untersuchungsergebnisse sollte eine geeignete Behandlung eingeleitet werden. Das ausgewählte Medikament muss gegen die nachgewiesene Wurmart wirksam sein. So wirken beispielsweise einige gegen Magen-Darm-Würmer gerichtete Präparate weder gegen Bandwürmer, noch gegen Leberegel. Präparate mit schmalem Wirkungsspektrum erfordern daher eine sehr genaue Diagnose. Nach erfolgter Behandlung sollte eine erneute Kotuntersuchung zur Kontrolle des Erfolges durchgeführt werden.
Die zunehmende Ausbildung von Anthelmintika-Resistenzen in den letzten Jahren, insbesondere bei Magen-Darm-Würmern, erfordert ein Umdenken bei der Bekämpfung und die Abkehr von althergebrachten Strategien. Allgemeingültige Empfehlungen sind auf Grund regionaler und herdenspezifischer Gegebenheiten nicht möglich, es sollte daher zusammen mit dem betreuenden Tierarzt für jede Herde ein auf die Bestandsbedingungen abgestimmter Gesundheitsplan aufgestellt werden. Nur dann ist die weitere Ausbreitung von Anthelmintika-Resistenzen einzudämmen.
Klauenerkrankungen und Lahmheiten sind mit Schmerzen und Leiden für das Tier verbunden und führen zu einer erheblichen Einschränkung des Wohlbefindens. Deshalb gehört es zu den Pflichten des Tierhalters, die Klauengesundheit seiner Tiere im Rahmen der Gesundheitsvorsorge regelmäßig zu kontrollieren und gegebenenfalls entsprechende Pflege- und/oder Behandlungsmaßnahmen einzuleiten. Dies gilt auch für Lämmer. Bei geringem Besatz der Weide und trockenem Boden sind die Klauen mindestens zweimal jährlich zu kontrollieren und erforderlichenfalls auszuschneiden.
Bei Beweidung vorwiegend weicher Böden, geringer Herdenbewegung (insbesondere in der Koppelschafhaltung) beziehungsweise hohem Besatz und vergleichsweise intensiver Nährstoffversorgung, wächst das Klauenhorn deutlich schneller nach (3 bis 5 mm/Monat), als es abgenutzt wird, sodass unter diesen Bedingungen drei und mehr Kontrollen beziehungsweise Korrekturen pro Jahr erforderlich werden. Entscheidend ist dabei, dass die Klauenpflege sach- und fachgerecht durchgeführt wird. Es wird daher empfohlen, einen Klauenpflegekurs zu absolvieren oder die Hilfe eines professionellen Klauenpflegers in Anspruch zu nehmen. Eine fehlerhaft durchgeführte Klauenpflege kann bestehende Probleme erheblich verschlimmern und Folgeerkrankungen nach sich ziehen. In Niedersachsen bietet beispielsweise die Landwirtschaftskammer regelmäßig Klauenpflegekurse an. Liegt bereits eine deutliche Lahmheit vor und sind weitere Gliedmaßenstrukturen betroffen, sollte umgehend ein Tierarzt hinzugezogen werden.
Die bereits Mitte der 90er Jahre erstmals veröffentlichten und 2009 vollständig überarbeiteten niedersächsischen „Empfehlungen für die ganzjährige und saisonale Weidehaltung von Schafen“ führen aus, welche Anforderungen an die Freilandhaltung von Schafen zur Erfüllung des § 2 Tierschutzgesetzes zu stellen sind. Insbesondere die Bereiche, die erfahrungsgemäß immer wieder Anlass zur Diskussion gaben, werden behandelt. Dazu gehören unter anderem das Vorhandensein eines Witterungsschutzes, die Tränkwasserversorgung und die Gestaltung der Einzäunung, aber auch die Notwendigkeit von Schur und Gesundheitsvorsorgemaßnahmen sowie das Management der Ablammung.
Es hat sich gezeigt, dass die Empfehlungen wesentlich zur Vereinheitlichung der tierschutzfachlichen Beurteilung der Freilandhaltung von Schafen durch die Veterinärbehörden geführt und Tierhaltern wichtige Informationen und Hilfestellung bei der Gestaltung ihrer Schafhaltung gegeben haben. Durch die breite „Basis“, auf der die Empfehlungen erarbeitet worden sind, wurden sie inzwischen auch in zahlreichen Gerichtsverfahren als Sachverständigengutachten bei der Urteilsfindung zu Grunde gelegt. Nicht zuletzt werden sie in der Diskussion mit Tierschutzorganisationen genutzt, um den Stand der „guten landwirtschaftlichen Praxis“ darzustellen.
Veröffentlicht im Tagungsband der DVG-Fachtagung, Fachgruppe „Tierschutz“ und „Versuchstierkunde“, Nürtingen 24.-27.02.2010, S. 283-293 Tierschutz – Niedersächsische Empfehlungen für die ganzjährige und saisonale Weidehaltung von Schafen, S. PETERMANN, K. MAIWORM