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Biosicherheitsmaßnahmen in Aquakulturbetrieben

Hinweise und Empfehlungen


Wichtiger Hinweis:

Ab dem 21. April 2021 gelten die tierseuchenrechtlichen Anforderungen der Verordnung (EU) 2016/429 (Animal Health Law – AHL) sowie die entsprechenden Tertiärrechtsakte (Delegierte Verordnungen, Durchführungsverordnungen und Durchführungsbeschlüsse). Mehr Informationen gibt es im Infoschreiben des LAVES .

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) prüft aktuell die Konsistenz nationaler Vorschriften mit dem AHL. Das BMEL hat darauf hingewiesen, dass nach Geltungsbeginn des AHL das EU-Recht (AHL und Tertiärrechtsakte) das nationale Recht überlagert. Demzufolge dürfen gleichlautende oder entgegenstehende nationale Regelungen nicht mehr angewendet werden. Soweit das EU-Recht es zulässt, können die übrigen Regelungen angewendet werden.

Da das nationale Recht noch nicht angepasst wurde, sind bestimmte Inhalte des nachfolgenden Artikels (insbesondere Verweise auf das Tiergesundheitsgesetz, die Fischseuchenverordnung, die Aquakulturrichtlinie 2006/88/EG sowie die auf Grundlage der Richtlinie 2006/88/EG erlassenen Durchführungsbestimmungen) nicht aktuell und gegebenenfalls nicht anwendbar. Eine Überarbeitung des Artikels unter Berücksichtigung des nationalen Rechts soll zeitnah erfolgen.


Mit dem Tiergesundheitsgesetz (TierGesG) wird jeder Tierhalter verpflichtet, präventive Maßnahmen zu ergreifen, damit Krankheitserreger nicht in den Tierbestand eingeschleppt oder aus dem Bestand verschleppt werden. Auch innerhalb eines Bestandes sollte eine Ausbreitung von Erregern verhindert werden. Eine weitere Pflicht des Tierhalters gemäß § 3 TierGesG ist es, sich im Hinblick auf die Übertragbarkeit anzeigepflichtiger Tierseuchen bei dem von ihm gehaltenen Tieren sachkundig zu machen. Des Weiteren hat der Tierhalter Vorbereitungen zur Umsetzung von Maßnahmen zu treffen, die von ihm beim Ausbruch einer Tierseuche nach den für die Tierseuche maßgeblichen Rechtsvorschriften durchzuführen sind ("Notfallplanung"). Da Fische, Krebstiere und Weichtiere vom Geltungsbereich des TierGesG betroffen sind, gelten die Vorschriften des §3 TierGesG auch für Betreiber von gewerblichen Aquakulturbetrieben, für Zierfischhändler und sogar für Hobbyhalter. Nach §4 Abs.1 Nr.1 Buchst. a der Fischseuchenverordnung (FischSeuchV) können Aquakulturbetriebe nur dann von der zuständigen Behörde genehmigt werden, wenn die Betriebe nachweislich Biosicherheitsmaßnahmen vorhalten. Da für Zierfischhändler und Zierfischhalter in der Regel keine Genehmigungspflicht nach FischSeuchV besteht, sind diese von der Nachweisverpflichtung ausgenommen.

Die nachfolgenden Hinweise mit Beispielen für Biosicherheitsmaßnahmen sollen eine Hilfestellung für Betreiber von Aquakulturanlagen sein. Werden im Folgenden die Begriffe "Fisch" oder "Fische" verwendet, umfassen diese auch Krebstiere und Weichtiere.
Transport lebender Fische
Transport lebender Fische

I. Zukaufshygiene

Im Idealfall arbeitet ein Aquakulturbetrieb autark, d. h. er schließt eine eigene Laichfischhaltung mit ein. Ist jedoch aufgrund der Betriebsstruktur ein Zukauf von Fischen notwendig, sollten bereits im Vorfeld Informationen über den Hygienestandard und den Gesundheitsstatus der zu erwerbenden Fische eingeholt werden, um das Risiko einer möglichen Seucheneinschleppung zu minimieren.

Eine wichtige Hilfestellung für die Zukaufshygiene ist der sogenannte Gesundheitsstatus des Herkunftsbetriebes, die sich auf die anzeigepflichtigen nicht exotischen Fischseuchen wie VHS, IHN, ISA KHV-I und WSD bezieht:

  • Kategorie I = EU- anerkannt seuchenfrei
  • Kategorie II = Überwachungsprogramm zur Erlangung der Kategorie I
  • Kategorie III = keine Infektion bekannt, aber kein Überwachungsprogramm zur Erlangung der Kategorie I
  • Kategorie IV = infiziert, Teilnahme an einem genehmigten Tilgungsprogramm
  • Kategorie V = infiziert

Diese Kategorisierung dient dem Schutz des Gesundheitsstatus von Aquakulturbetrieben. Grundsätzlich dürfen Fische nur in Betriebe mit gleichrangigem oder niedrigerem Gesundheitsstatus verbracht werden (Ausnahmen für die Kategorien II und IV). Demnach dürfen Betriebe der Kategorie I Betriebe aller Kategorien beliefern, aber nur von anderen Kategorie I Betrieben zukaufen, da sie als seuchenfrei gelten. Weitere mögliche Verbringungswege sind der Abbildung 1 zu entnehmen.

Abbildung 1  

Für den innerstaatlichen Handel zwischen Aquakulturbetrieben ist die Verwendung des sogenannten Anlagenpasses gemäß der Anlage 2 der FischSeuchV grundsätzlich zu empfehlen. Dieser Anlagepass umfasst u. a. eine Gesundheitsbescheinigung, die bei einer Verbringung von Fischen in Kategorie I-, II- oder IV-Betriebe verpflichtend ist. Bei Zukauf aus anderen Mitgliedstaaten der EU oder aus Drittländern sind Vorschriften über sogenannte TRACES-Mitteilungen und das etwaige Mitführen von Gesundheitsbescheinigungen zu beachten. Auskünfte dazu erteilen die zuständigen Veterinärämter.

Unabhängig von der jeweiligen Gesundheitskategorie ist es für den Empfänger aber grundsätzlich empfehlenswert, Informationen über den Gesundheitsstatus und die Gesundheitsfürsorge beim Herkunftsbetrieb zu erfragen. Es können ggf. auch Ankaufsuntersuchungen veranlasst werden. Auf die Transporthygiene ist ebenfalls zu achten, denn ungereinigte und nicht desinfizierte Transportfahrzeuge, Transportbehälter und Ausrüstung können unbelebte Vektoren (Überträger) für Krankheitserreger sein. Nach Anlieferung ist eine Kontrolle des Allgemeinbefindens und des Gesundheitszustands der Fische durchzuführen.

Branntkalkdesinefktion von Fischteichen
Branntkalkdesinefktion von Fischteichen

II. Reinigung und Desinfektion

Auf Grundlage der „guten fachlichen Praxis“ sind Haltungseinrichtungen, Geräte und Verarbeitungsbereiche und ggf. auch befruchtete Eier regelmäßig zu desinfizieren. Für Transportvorrichtungen gilt, dass diese gemäß § 18 Absatz 3 FischSeuchV vor erneuter Benutzung gereinigt und desinfiziert werden müssen. Eine wirksame Desinfektion setzt zunächst eine gute Reinigung der Oberflächen voraus, denn Reste von Eiweiß oder eiweißhaltigem Material können die Wirksamkeit von chemischem Desinfektionsmittel stark beeinträchtigen. Nach dem Reinigen müssen die Flächen mit reichlich Was­ser abgespült werden, da auch alkalische Reinigerreste die Desinfektionswirkung mindern. Die Wahl des geeigneten Desinfektionsmittels hängt u. a. vom Erregerspektrum, der Jahreszeit und dem Einsatzbereich ab. Besonders in den Wintermonaten hat die Umgebungstemperatur für teichwirtschaftliche Betriebe einen entscheidenden Einfluss auf die Wirksamkeit eines Desinfektionsmittels. Zum Beispiel bei Formaldehydhaltigen Desinfektionsmitteln ist der sogenannte „Kältefehler“ besonders ausgeprägt. Die Wirksamkeit ist bei Wassertemperaturen unter 10°C deutlich eingeschränkt. Weniger kälteanfällig sind zum Beispiel Wirkstoffe wie Peressigsäure oder organische Säuren.

Wichtig ist, dass nur Präparate zum Einsatz kommen, die über ein gesichertes Wirkungsspekt­rum gegen die jeweiligen Erreger verfü­gen. Daher sollten nur Desin­fektionsmittel für die Geräte- und Flächendesinfektion verwendet werden, die in der DVG-Liste (Deutsche Veterinärmedizinische Gesell­schaft) aufgeführt sind. Außerdem dürfen nur für den jeweiligen Anwendungsbereich zugelassene bzw. verkehrsfähige Biozidprodukte verwendet werden. In großflächigen Karpfenteichwirtschaften können Desinfektionsmaßnahmen nur bedingt durchgeführt werden. Hier können neben der ordnungsgemäßen Reinigung und Desinfektion von Gerätschaften und Hälterungseinrichtungen auch Teichmanagementmaßnahmen wie das regelmäßige Abtragen von Teichsedimenten oder Schilfschnitte zur Biosicherheit beitragen.

Mehr Informationen zu dem Thema Reinigung und Desinfektion erhalten Sie in dem Artikel Hinweise und Empfehlungen zur Desinfektion in der Fischzucht.

Stiefeldesinfektion
Stiefeldesinfektion

III Betriebsmanagement

III.1 Bildung von epidemiologischen Einheiten

Um einer Verschleppung von Fischseuchenerregen innerhalb des Betriebes vorzubeugen, ist die Bildung möglichst vieler, in sich geschlossener und durch Hygieneschranken getrennter Bereiche sinnvoll. Nach dem Zukauf von Fischen und Eiern sollte diese im Bestand zunächst für zwei bis drei Wochen zu Beobachtungszwecken abgesondert werden. Dabei ist eine Absonderung am Ende der Wasserkette seuchenhygienisch sinnvoll. Der Personenverkehr sollte, sofern möglich, auf ein Minimum beschränkt werden. Karpfenteichwirtschaften verfügen im Vergleich zu Forellenbetriebe in der Regel über große Wasserflächen und liegen häufig in Erholungs- und Naturschutzgebieten, sodass durch Spaziergänger stets ein Personenverkehr besteht, der nicht verhindert werden kann.
Eingehauste Forellenhaltung
Eingehauste Forellenhaltung

III.2 Schutzmaßnahmen gegen fischfressende Tiere und Schadnager

Fischfressende Vögel und Säugetiere können Vektoren darstellen, über die Fischseuchenerreger passiv übertragen werden können. Um dem entgegenzuwirken und um auch den Stress zu minimieren, der durch ein erhöhtes Aufkommen dieser Tiere bei den Fischen ausgelöst wird, sollten Aquakulturbetriebe bzw. deren Haltungseinrichtungen, sofern möglich, wirksam durch Überspannung, Einzäunung und/oder Einhäusung geschützt werden. In dem Zusammenhang wird auf die Informationen zur Überbespannung, Einhausung und Einzäunung von Teichen und anderen Anlagen zur Haltung von Tieren in Aquakultur verwiesen. Ein Runderlass des Nds. Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (RdErl. d. ML v. 18. 5. 2017 – 204.1-42506-14 –– VORIS 78530) legt geeignete Maßnahmen zur Vergrämung von Fischprädatoren dar und enthält Empfehlungen für eine fachgerechte und ordnungsgemäße Überspannung, Einhausung und Einzäunung von Teichen und anderen Anlagen zur Haltung von Tieren in Aquakultur. Karpfenteiche stellen auch hier eine besondere Herausforderung dar, da sie aufgrund ihrer Fläche in der Regel nicht zu überspannen, einzuhausen oder einzuzäunen sind. Hier muss das Augenmerk vor allem auf, wenn rechtlich möglich, jagdlicher Vergrämung und der (vorgeschriebenen) betrieblichen Schadnagerbekämpfung liegen. Sogenannte „Teich-in Teich“ Systeme können für Karpfenteiche ebenfalls Schutz gegen Prädatoren bieten.

III.3 Ausbildung und Weiterbildung, Personalschulung

Es ist unerlässlich, dass sich der Tierhalter im Hinblick auf die Übertragbarkeit anzeigepflichtiger Wassertierseuchen sachkundig macht. In dem Zusammenhang muss er sich mit möglichen Wegen der Übertragung über empfängliche und Überträgerarten bzw. über passive Vektoren auseinandersetzen. Diese Verpflichtung nach dem TierGesG schließt neben einer fundierten Ausbildung auch die laufende Aktualisierung der Kenntnisse und Fähigkeiten durch Fortbildung ein. Auch das Personal sollte in Bezug auf Fischseuchen und ihre Übertragungswege sensibilisiert werden, um mögliche Symptome bzw. Risiken schnell erkennen zu können.

III.4 Notfallplanung

Auch wenn das TierGesG nicht vorschreibt, wie eine innerbetriebliche Notfallplanung durchzuführen ist, wird eine schriftliche Fixierung eines entsprechenden Notfallplans für jeden Aquakulturbetrieb empfohlen. So kann gewährleistet werden, dass im Seuchenfall eine weitere Verschleppung so schnell wie möglich unterbunden werden kann. Der Notfallplan sollte Anweisungen an das Personal, Zugangsbeschränkungen, Maßnahmen zur Absonderung von Fischen und zur Entwesung, Reinigung und Desinfektion enthalten. Wichtige Kontaktdaten wie die der zuständigen Veterinärbehörde, des bestandsbetreuenden Tierarztes oder Fischgesundheitsdienstes und des VTN-Betriebs ("TBA/Abdecker") sollten gut zugänglich und in aktueller Fassung vorhanden sein.

III.5 Haltung

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass eine gründliche Teich- bzw. Beckenpflege mit Blick auf die Biosicherheit wichtig ist. Dazu gehören neben regelmäßigem Entfernen von Teichsedimenten und Uferbewuchs auch eine bedarfsgerechte Fütterung und insbesondere das Vermeiden von Überbesatz. Verendete Fische sind zu schnell wie möglich aus den Haltungseinheiten zu entfernen, auf Krankheitsmerkmale zu prüfen und unschädlich zu beseitigen. Bei auffälligen Veränderungen des Verhaltens oder Aussehens der Fische im Bestand bedarf es der Ursachenkontrolle und ggf. der Konsultation eines Bestandstierarztes bzw. Fischgesundheitsdienstes. In dem Zusammenhang sei an die Verpflichtung des § 11 Absatz 8 des Tierschutzgesetzes erinnert, wonach Halter von Wirbeltieren zu Nutzzwecken betriebliche Eigenkontrollen durchzuführen haben, bei den geeignete tierbezogene Merkmale (Tierschutzindikatoren) zu erheben und zu bewerten sind.
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