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Untersuchung zum Abwanderungsverhalten von Fischen in der Oker

Allgemeines

Der Gefährdungsgrad der Fischfauna Niedersachsens ist allgemein als hoch einzustufen. Die sich beeinträchtigend auf den Zustand der Fischfauna auswirkenden Ursachen sind vielfältig. Neben dem Verlust von Fortpflanzungs- und Aufwuchsarealen durch wasserbauliche Maßnahmen können Querbauwerke in Fließgewässern die für den Erhalt und die Entwicklung einzelner Arten essentielle Durchwanderbarkeit der Gewässer behindern. Besonders problematisch stellt sich die fehlende oder mangelhafte Durchwanderbarkeit im Bereich von Wasserkraftanlagen dar. Fische werden nicht nur auf ihrer fließgewässerabwärtsgerichteten Wanderung behindert, sondern können im Bereich von Wasserkraftanlagen auch geschädigt und letal verletzt werden.

Besonders für diadrome Fischarten, in deren Lebenszyklus sehr weite Wanderungen zwischen dem Meer und den Binnengewässern eingeschaltet sind, können Verluste auf ihren Wanderwegen sich negativ auf den Arterhaltungszustand auswirken. So wird der derzeitige Gefährdungsstatus des Lachses (ausgestorben) aber auch die aktuelle Situation des Aales unter anderem auch auf eine mangelhafte Durchgängigkeit der Fließgewässer zurückgeführt. Maßnahmen zur Wiederansiedlung von Fischarten (zum Beispiel Lachs) sowie zum Erhalt und zur Förderung von gefährdeten Arten müssen demzufolge auch eine Verbesserung der Durchwanderbarkeit in den Gewässern umfassen.

In der vorliegenden, im Auftrag des ehemaligen Niedersächsischen Landesamt für Ökologie - Dezernat Binnenfischerei (jetzt im LAVES) in Zusammenarbeit mit der Aller-Oker-Lachs-Gemeinschaft (AOLG), dem Danmarks Center for Vildlaks (DCV), dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Küstenschutz (NLWK), der ehemaligen Bezirksregierung Braunschweig, dem örtlichen Angelverein und der Berufsfischerei Nölke in Celle von Rathcke (2005, unveröffentlicht) im Jahr 2004 durchgeführten Untersuchung wurde exemplarisch die Wirksamkeit durchgeführter Maßnahmen für die Abwanderung von Fischen überprüft.

Eckpunkte der Untersuchung

Im Bereich der an der Oker gelegenen Wasserkraftanlage in Müden-Dieckhorst wurden im Zuge des Neubaus einer naturnah gestalteten Fischaufstiegsanlage im Jahr 2003 zur Verbesserung des Fischabstieges ein links vom Rechen wegführendes und in das Unterwasser der Wasserkraftanlage mündendes „Fluchtrohr“ (DN 200) eingebaut. Dieses Fluchtohr besitzt eine bodennahe und eine mittig in der Wassersäule liegende Einströmöffnung.

Im Jahr 2004 wurde die Verteilung von abwandernden Junglachsen „Smolts“ (Frühjahr) und von abwandernden Aalen (Herbst) auf die in Müden vorhandenen Abwanderungswege Fischaufstiegsanlage, Fluchtrohr und Durchlass im Wehr untersucht. Im Frühjahr wurde außerdem der Versuch unternommen, durch das Stellen einer Aalzeese im Unterwasser von Wehr und Wasserkraftanlage Erkenntnisse über den Anteil der über die Wasserkraftanlage abwandernden Fische zu gewinnen. Darüber hinaus sollten in der Frühjahrsuntersuchung auch Erkenntnisse über das Abwanderungsverhalten von Smolts in der Oker zwischen Braunschweig und Müden und den möglichen Einfluss zweier oberhalb von Müden gelegener Wasserkraftanlagen sowie die bei der Abwanderung natürlicherweise auftretenden Verluste gewonnen werden.

Ergebnisse

Es ist festzustellen, dass das Fluchtohr zu einer Verbesserung der Situation des Fischabstieges in Oker im Bereich der Wasserkraftanlage in Müden beiträgt.

Insgesamt sind im Untersuchungszeitraum Frühjahr 2004 über das Fluchtrohr 17 Fischarten, über das Umgehungsgerinne 5 Fischarten und über den Wehrdurchlass zwei Fischarten abgewandert.

Im Frühjahr 2004 wurden von den 7045 markierten und an fünf Positionen oberhalb des Wasserkraftwerkes Müden/Dieckhorst in einer Entfernung von bis zu 33,5 Kilometer ausgesetzten Smolts 1156 in Müden wiedergefangen.

relative Verteilung der Wiederfänge auf die Abwanderungswege  
Abbildung 1: relative Verteilung der Wiederfänge auf die Abwanderungswege

Der größte Anteil der wiedergefangenen Lachse (64,5 Prozent) trat im Fluchtrohr auf; 34,4 Prozent aller wiedergefangenen Lachse gelangte über die Turbinenpassage in das Unterwasser (Abbildung 1). Die vor dem Zulauf zur Wasserkraftanlage und Fluchtrohr installierte und bereits in den Jahren 1998 und 1999 fischereibiologisch untersuchte Elektro-Fischscheuchanlage zeigte auch im Jahr 2004 keine abweisende Wirkung auf abwandernde Fische. Der Anteil der über den Durchlass im Hauptwehr und über das im Jahr 2003 neu errichtete Umgehungsgerinne abgewanderten Junglachse war sehr gering (0,4 und 0,7 Prozent).

rechnerisch ermittelte relative Verteilung der Wiederfänge auf die Abwanderungswege  
Abbildung 2: rechnerisch ermittelte relative Verteilung der Wiederfänge auf die Abwanderungswege unter Berücksichtigung der Fangeffektivität des Netzes in der Oker

Da der Anteil der insgesamt wiedergefangenen Lachse 16,4 Prozent betrug, aber anzunehmen ist, dass die Abwanderung der markierten Lachse im Untersuchungszeitraum im wesentlichen erfolgte, wurden die Fangdaten unter der Annahme, und das Fangnetz in der Oker nur eine eingeschränkte Fängigkeit aufwies, korrigiert. Unter Berücksichtigung des berechneten Fangkorrekturfaktors ergibt sich die folgende Verteilung der Abwanderungsraten für die besetzten markierten Lachse: 14,4 Prozent Fluchtrohr und 85,4 Prozent Turbine (Abbildung 2).

Auf die hohe Effizienz des Fluchtrohres deuten auch die im Frühjahr ermittelten hohen Anteile von über das Fluchtrohr abgewanderten unmarkierten Lachse (88,3%) und Bachforellen (99,6%) hin.

Im Rahmen der Herbstuntersuchung zur Aalabwanderung (17.11.2004 bis zum 21.11.2004) wurden im Fluchtrohr an der Wasserkraftanlage in Müden 204 große Blankaale erfasst. Über das Umgehungsgerinne und den Wehrdurchlass sind keine Aale abgewandert. Schäden durch die Rechenreinigung sind nicht beobachtet worden.

Die natürliche Mortalität auf der Abwanderung der Lachse durch Prädation und andere Faktoren betrug im Untersuchungsabschnitt und –zeitraum rechnerisch ermittelt je Fließkilometer 1,23%.

Der Verlust von in Turbinen abgestiegenen Fischen betrug im Mittel 4 bis 5% je Wasserkraftanlage.

Ausblick

Die in der Untersuchung ermittelte positive Wirkung des Bypassrohres auf die Abwanderung von Fischen in Müden hat dazu geführt, dass die wasserbehördliche Genehmigung durch die zuständige Wasserbehörde angepasst und das Bypassrohr nun ganzjährig geöffnet ist.

Die Anlage vergleichbarer Schutz- und Ableiteinrichtungen ist auch an anderen bestehenden Wasserkraftstandorten vorbehaltlich der Prüfung im Einzelfall grundsätzlich zu empfehlen.

Beprobung

Beprobung der Fangeinrichtungen im Unterwasser der Wasserkraftanlage in Müden

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