Ende der Honigsaison 2022 – jetzt um das Wohlergehen der Bienen kümmern
Infobrief des LAVES-Bieneninstituts vom 19. Juli 2022
Die digitalen Stockwaagen, die in den verschiedenen Bundesländern bei „TrachtNet Deutschland“ registriert sind, zeigen deutlich, die Tracht ist inzwischen versiegt. Damit ist die Nektartracht in diesem Jahr früher als sonst zu Ende gegangen. Die Mehrzahl der Völker ist abgeerntet und die Völker verzeichnen nun Abnahmen.
Derzeit hoffen die Heide-Imker und -Imkerinnen zwar noch auf eine Heideblüte, aber die fortdauernde Trockenheit trübt diese Hoffnung.
■ Jetzt muss der imkerliche Fokus insbesondere
- auf dem Abernten der Wirtschaftsvölker liegen (da, wo noch nicht geschehen),
- es gilt Räuberei zu vermeiden,
- besonders muss die Futterversorgung der Jung- und Altvölker in den Blick genommen werden und
- es muss auf jeden Fall eine Varroabefalls-Ermittlung erfolgen.
■ Abernten der Wirtschaftsvölker, die Futterversorgung der Jung-/Altvölker berücksichtigen und Räuberei vermeiden
Denken Sie beim Abernten und auch beim Füttern unbedingt daran, die Zeit der Räuberei ist eingeläutet und die wird bekanntlich durch unvorsichtiges Arbeiten an den Bienen ausgelöst. Das muss unbedingt vermieden werden. Ernten Sie die Völker entweder in den frühen Morgen- oder späten Abendstunden ab. Wenn Sie noch Wirtschaftsvölker abernten müssen oder auch schon abgeerntet haben, nehmen Sie deren Futterversorgung in den Blick. Die Völker dürfen auch jetzt keinen Futtermangel erleiden. Füttern sollte man grundsätzlich eher in den Abendstunden. Besonderes Augenmerk benötigen nach wie vor auch die Jungvölker, die ja noch weiter bis zur Überwinterungsstärke wachsen sollen. Diese benötigen stets Futter und Erweiterungswaben beziehungsweise Rähmchen mit Mittelwänden solange sie noch bauen.
■ Der Varroa-Befalls-Status der Völker muss jetzt zur Ermittlung der Behandlungs-Schadschwellen erfasst werden!
Ab jetzt gilt es sich unbedingt einen Überblick über den Varroa-Befallsgrad der Völker zu verschaffen. Wer das nicht tut, der imkert im „Blindflug“ und handelt fahrlässig. Grundsätzlich sollte die Varroa-Bekämpfung nach Schadschwellen erfolgen. Dazu muss man aber erst einmal Kenntnis über den derzeitigen Varroa-Befallsgrad der eigenen Völker erlangen.
Legen Sie für die Dauer von mindestens 3 Tagen eine Varroa-Diagnosewindel unter ihre Völker und zählen Sie dann den natürlichen Milbentotenfall aus. Daraus kann dann der Milbenfall pro Tag errechnet werden.
Erst bei einem täglichen natürlichen Milbenfall von mehr als 10 Varroa-Milben pro Tag bei den Wirtschaftsvölkern beziehungsweise bei mehr als 5 Varroa-Milben pro Tag bei den Jungvölkern ist die Schadschwelle überschritten und es bedarf einer sofortigen medikamentösen Varroa-Behandlung.
Bei den Wirtschaftsvölkern wird die kritischen Schadschwellen (mehr als 10 Milben pro Tag) zu dieser Jahreszeit bei Völkern derjenigen Imker eher selten erreicht, die das Jahr 2022 mit wenigen Milben in ihren Völkern begonnen, regelmäßig Drohnenbrut ausgeschnitten und Jungvölker zur Varroa-Reduzierung aus ihren Wirtschaftsvölker erstellt haben.
Bei den Jungvölkern ist jetzt die kritische Schadschwelle von täglich mehr als 5 Milben eher unwahrscheinlich, da die Jungvölker ja zwischenzeitlich behandelt wurden, als sie brutfrei waren.
Für alle Völker, die die Schadschwelle (noch) nicht erreicht haben, gilt es jetzt erst einmal nach dem Abernten etwas zu füttern. So schafft man Futterkränze in der oberen Brutzarge, die für eine etwaige Ameisensäure-Behandlung im August ein sicheres Polster bilden. So wird die Brut vor Ameisensäureschäden besser geschützt.
■ Wer jetzt behandeln muss, dem empfehlen wir das Konzept des „Teilens und Behandelns“
Derzeit ist der Einsatz von Ameisensäure-Verdunstersystemen aller Bauarten besonders wegen der Temperaturschwankungen (Tag/Nacht) eher schwierig. Daher empfehlen wir das Konzept „Teilen und Behandeln“. Dieses Verfahren findet sich als Pendant in ähnlicher Weise als ein wesentliches Betriebsweisen-Element auch beim „Celler-Rotationsverfahren“. Es ist zudem nicht wesentlich anders ausgestaltet, als das Verfahren „der totalen Brutentnahme“. Der Vorzug dieser Verfahren liegt darin, dass eine brutfreie Phase geschaffen wird, in der dann die Varroa-Milben zwangsläufig auf den erwachsenen Bienen sitzen, um sie dann gezielt und sehr effizient bekämpfen zu können. Dazu eignet sich besonders die Anwendung von Oxalsäure.
Diejenigen Völker, bei denen die Schadschwelle jetzt noch nicht erreicht ist, können dann Mitte August ebenso mit dem Verfahren „Teilen und Behandeln“ behandelt werden.
■ Das Konzept „Teilen und Behandeln“
Sollte bei der Varroa-Gemüll-Diagnose von abgeernteten Wirtschaftsvölkern die Schadschwelle von mehr als 10 Milben/Tag überschritten sein, so empfehlen wir diese jetzt nach dem Konzept „Teilen und Behandeln“ von ihrer Varroalast zu befreien. Das Verfahren kann man sowohl mit 2-räumigen, als auch mit 1-räumigen Völkern durchführen. Es gilt dabei unbedingt einen vorgegeben Zeitplan einzuhalten. Er beginnt mit dem „Tag X“, den Sie für sich ausgewählt haben. Der nächste Arbeitsschritt erfolgt dann am „Tag X + 2 Tage“. Ihm folgt am „Tag X + 21 Tage“ dann der vorerst letzte Arbeitsschritt.
Die praktische Vorgehensweise (auch in nachfolgenden Abbildungen dargestellt)
1.Schritt (Tag X) Teilen des Wirtschaftsvolkes in einen „Flugling“ und einen „Brutling“:
Dazu muss an dem ausgewählten „Tag X“ unbedingt Flugwetter herrschen. Zunächst wird das zu behandelnde Wirtschaftsvolk zur Seite gestellt. An dessen Stelle werden ein neuer Boden mit gleicher Flugausrichtung und darauf eine Zarge gesetzt, die mit leergeschleuderten, trockenen Honigraum-Waben und mit mindestens einer vollen Futterwabe am Rand ausgestattet ist.
Dann wird die Königin aus dem Wirtschaftsvolk herausgesucht und in einem Königinnenzusatzkäfig mit Futterverschluss zwischen die trockenen Honigraum-Waben gehängt. Dieser Schritt kann auch mit dem Austausch der alten gegen eine neue Königin kombiniert werden. Die Zarge wird mit einer Folie und Deckel verschlossen. Das Flugloch sollte eingeengt werden. So beugt man der Gefahr der Räuberei vor. Der Rest des Wirtschaftsvolkes, das sind ein oder zwei Bruträume, wird jetzt mit dem Deckel versehen und mit eingeengtem Flugloch auf einen anderen Platz am Bienenstand aufgestellt – so wird der gewünschte „Brutling“ erstellt. Beachten Sie schon bei der Erstellung des „Brutling“, ihm darf kein Futter für die nächsten drei Wochen fehlen.
Alle Flugbienen des (ehemaligen) Wirtschaftsvolkes werden jetzt in die neue Beute auf ihrem gewohnten Standplatz einfliegen und dort einziehen – sie bilden so den gewünschten „Flugling“, der mit einer begatteten Königin ausgestattet ist.
2.Schritt (Tag X + 2 Tage) Behandlung des „Fluglings“ mit Oxalsäure:
Zwei Tage nach dem „Teilen“ kann der „Flugling“ gegen die Varroa behandelt werden. Hierzu bietet sich eine Sprüh- oder Träufelbehandlung mit Oxalsäure an. Im Anschluss erhält der „Flugling“ dann eine erste Fütterung in einer Futtertasche. Keinesfalls benötigt dieser jetzt eine komplette Auffütterung. Diese würde die Bruttätigkeit der Königin massiv einschränken. Eine erste Flüssigfütterung von 5 Litern in einer Wabentasche ist ausreichend. Es könnten auch Futterwaben aus dem eignen Bestand dazu gehängt werden. Gleiches gilt für das „Brutvolk“ dann später.
3.Schritt (Tag X + 21 Tage) Einengen und Behandlung des „Brutlings“ mit Oxalsäure:
21 Tage nach dem Teilen sind in dem „Brutling“ alle Bienen geschlüpft und eine Nachschaffungskönigin ist entstanden. Diese ist in der Regel 23 bis 26 Tage nach dem Teilen in Eilage gegangen. Dann ist auch noch keine verdeckelt Brut vorhanden. Das ist der richtige Zeitpunkt zunächst Wabenhygiene zu betreiben: alle dunklen, inzwischen leergeschlüpften Brutwaben entnehmen und mit ausgebauten hellen Waben ersetzen. Besteht der „Brutling“ aus zwei Zargen, werden zunächst die Bienen auf eine Zarge eingeengt, da sie nur einen Raum benötigen. Mit diesem Schritt kann man elegant Zargen-weise Wabenhygiene betreiben und die alten Waben im Anschluss einschmelzen. Dieser Schritt wird mit der Überprüfung der Bruttätigkeit der neuen Königin und dann mit einer OS-Sprüh-Behandlung elegant kombiniert.
Um den Behandlungserfolg zu ermitteln, wird zuvor eine Diagnosewindel eingelegt. Die „Brutlinge“ sind grundsätzlich deutlich stärker mit Varroa befallen (85-95 % der Milben des Ausgangsvolkes) als die „Fluglinge“, so dass womöglich 5 bis 7 Tage später (bevor zu viel Brut verdeckelt ist) eine zweite OS-Sprühbehandlung erfolgen muss. Auch dieses (neue) Volk wird sodann gefüttert. Sollte der „Brutling“ eventuell weisellos sein, wird er mit einer begatteten Jungkönigin aus einem schwachen Ableger beweiselt oder notfalls abgekehrt.
Später im Jahr wird dann entschieden, ob man diese beiden Einheiten (ehemaliger „Flugling“ und „Brutling“) getrennt einwintert oder gar wieder vereint. Das hängt von deren jeweiligen Einwinterungsstärke ab. Das wäre dann der 4.Schritt, nämlich Tag X + 21 + X Tage nach der Teilung
■ Aufgrund mehrerer Nachfragen zum Schluss noch Hinweise zum Thema „totale Brutentnahme“ und zur Frage, kann man bei „Varroa-toleranten“ Bienenherkünften auf eine Varroa-Bekämpfung verzichten?
Zur „totalen Brutentnahme“ möchten wir noch einen uns wichtigen Aspekt herausgreifen. Die „vollständige Brutentnahme“ stellt wie das „Teilen und Behandeln“ eine effiziente Möglichkeit der Varroa-Bekämpfung dar, bei der gezielt eine Brutpause geschaffen wird. Beide Verfahren unterscheiden sich lediglich in der Nuance, dass beim „Teilen und Behandeln“ sowohl die Bienenmasse und die gesamte Brut grundsätzlich erhalten bleiben bzw. verwertet wird. Bei der „totalen Brutentnahme“ wird mitunter empfohlen die Brut durch Einschmelzen zu vernichten. Ein Einschmelzen der Brut ist jedoch in den allerseltensten Fällen überhaupt begründbar. Das wäre nur dann nötig, wenn die Brut erheblich durch Varroa und Viren geschädigt ist. In diesem Fall aber macht auch der Versuch die erwachsenen Bienen retten zu wollen keinen Sinn. Die Brut und die erwachsenen Bienen sind in dieser Konstellation logischerweise so vorgeschädigt, dass selbst ein nur mit den erwachsenen Bienen erstelltes Volk den Winter nicht überleben kann. Andererseits sind beispielsweise bei einem 20 prozentigen Varroa-Brutbefall logischerweise 80 Prozent der Bienen in den Waben ganz ohne Milben aufgewachsen, so dass deren Vernichtung durch Einschmelzen nicht begründbar ist. Von daher empfiehlt es sich auch bei der „totalen Brutentnahme“ die Brut in Brutscheunen zum Schlüpfen zu bringen, um diese dann nach dem Schlupf zu behandeln. Letztlich läuft das dann aber genau auf das Verfahren des „Teilens und Behandelns“ hinaus.
Zur Frage, kann man bei „Varroa-toleranten“ Bienenherkünften auf eine Varroa-Bekämpfung grundsätzlich verzichten, möchten wir folgendes klar machen. Die Bemühung um die Zucht einer Varroa-toleranten Honigbiene unterliegt zeitlich betrachtet naturgemäß langwierigen Prozessen. Das, was die Natur unter wirklich langen Zeiträumen durch natürliche Selektion innerhalb eines Wirt-Parasit-Verhältnisses hervorbringt, kann durch gezielte Zucht nicht in kurzen Zeiträumen von wenigen Jahren Beziehungsweise Jahrzehnten erreicht werden. Dafür ist die Erblichkeit (Heritabilität) der bekannten Varroa-Toleranz-Merkmale bekanntermaßen viel zu gering. Für solch ein Vorhaben braucht es einen langen Atem. Heute werden sowohl Königinnen, als auch Zuchtstoff angeboten, das mit der Zielsetzung einer Varroa-toleranten Biene über einige wenige Jahre selektiert wurde. Das kann aber nicht bedeuten, dass die Völker nicht mehr oder etwas weniger Varroa-Kontrolle bedürfen. Ist das Ausgangsmaterial womöglich nur eine Larve aus einem vorselektierten Varroa-toleranten Volk, dann stellt sich die Frage, welche Eigenschaften die Drohnen bei einer freien Paarung zur Königinnenherkunft beisteuern. Damit wird klar, für alle Völker gilt grundsätzlich, und das ist unsere dringliche Empfehlung, haben Sie die Varroa-Populationsentwicklung ihrer Völker stets im Blick. Zudem gilt auch hier, eine Varroa-Bekämpfung erfolgt stets nach dem Schadschwellen-Prinzip.
Wenden Sie sich gerne an uns falls Rückfragen bestehen: poststelle.ib-ce@laves.niedersachsen.de
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