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Umweltradioaktivität in Lebensmitteln

Situation in Niedersachsen


1. Überwachung der Umweltradioaktivität in Niedersachsen

Die Länder überwachen laut Paragraf 162 Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) die Umweltradioaktivität in Lebensmitteln, Futtermitteln, Bedarfsgegenständen, Arzneimitteln, Trinkwasser, Grundwasser, Abwässern sowie in Boden und Pflanzen. Die vom Bund vorgegebenen Messprogramme werden in Niedersachsen zudem um landeseigene Messprogramme ergänzt. Die Überwachung der Umweltradioaktivität in Lebensmitteln sowie Lebensmittel mit Indikatorfunktion wie beispielsweise Wildpilzen, Honig und Wildfleisch fällt in den Aufgabenbereich des Landwirtschaftsministeriums. Für Atom- und wasserrechtliche Radioaktivitätsmessungen ist das Umweltministerium zuständig. Alle Messergebnisse werden an die Bundesbehörden über das „Integrierte Mess- und Informationssystem (IMIS)“ weitergeleitet. Sie bilden die Grundlage der auch von den Ländern abrufbaren aktuellen Lagedarstellung des Bundes. Zu diesem Zweck ist beim Niedersächsischen Umweltministerium (speziell beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz) die Landesdatenzentrale IMIS errichtet worden. Die vom IMIS ermittelten Aktivitätskonzentrationen an radioaktiven Stoffen können im Online-Portal des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) eingesehen werden.

2. Radioaktive Belastung von Lebensmitteln aus Niedersachsen

Das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) untersucht jährlich circa 1400 Lebensmittelproben auf Umweltradioaktivität. Nachweisbar in allen Proben ist Kalium-40 als natürlicher Bestandteil von Lebensmitteln. Vereinzelt ist auch die aus dem Tschernobyl-Fallout sowie aus oberirdischen Kernwaffentests stammende Restaktivität der Radionuklide Cäsium-137 und Strontium-90 nachweisbar.

Die per EU-Durchführungsverordnung festgesetzten Höchstwerte der spezifischen Gesamtaktivität von Cäsium-137 betragen für Milch und Säuglingsnahrung 370 Becquerel pro Kilogramm (Bq/kg) und für andere Lebensmittel 600 Bq/kg. Die Werte sind jeweils bezogen auf das verzehrfertige Lebensmittel. Die EU-Verordnung gilt grundsätzlich nur für Importprodukte aus dem EU-Ausland. Die Höchstwerte werden in Niedersachsen aber auch auf alle anderen Lebensmittel sinngemäß angewandt.

Als Orientierung für Strontium-90 dient eine Verordnung des Rates der EU. Die Höchstwerte für Sr-89/Sr-90 betragen demnach für Säuglingsnahrung 75 Bq/kg, für Milch und flüssige Lebensmittel 125 Bq/kg und für andere Lebensmittel 750 Bq/kg. Die Werte sind jeweils bezogen auf das verzehrfertige Lebensmittel. Es werden nur ausgewählte Lebensmittelgruppen stichprobenartig auf Sr-89/Sr-90 in der Routine untersucht.

2.1 Messprogramme nach Strahlenschutzgesetz

Gemüse Bildrechte: Gemüse und Obst: © Renee Jansoa - Fotolia.com

Gemüse, Kartoffeln und Obst
Die Belastung mit dem künstlichen Radionuklid Cäsium-137 von in Niedersachsen erzeugtem Gemüse, Kartoffeln und Obst liegt seit mehreren Jahren unter 0,2 Bq/kg und damit unter der Nachweisgrenze für diese Erzeugnisse. Nur in seltenen Fällen werden Aktivitätskonzentrationen über der Nachweisgrenze gemessen - zum Beispiel bei Heidelbeeren. Die Aktivitätskonzentrationen liegen weit unter dem Cs-137 Höchstwert von 600 Bq/kg.

Die Sr-90 Aktivitätskonzentrationen liegen bei Gemüse um die Nachweisgrenze von 0,04 Bq/kg, wohingegen Kartoffeln und Obst in den meisten Fällen unterhalb der Nachweisgrenze liegen.

Milch, Käse
In Milch ist die spezifische Cs-137-Aktivität auf Werte zurückgegangen, die vor dem Reaktorunfall in Tschernobyl im Jahre 1986 gemessen wurden. Die durchschnittlichen Werte liegen unterhalb der Nachweisgrenze von 0,2 Bq je Liter (l). Der nach der Verordnung festgelegte Höchstwert bei Milch von 370 Bq/kg (das entspricht circa 370 Bq/l bei einer Dichte um 1 kg/l) wird dementsprechend bei Weitem unterschritten. Auch in Käse werden nur noch Werte unterhalb der Nachweisgrenze gemessen.

Milch wird in regelmäßigen Abständen auf Sr-90 untersucht. Die Sr-90 Aktivitätskonzentration liegt seit mehreren Jahren unterhalb der Nachweisgrenze von 0,02 Bq/l.

Fleisch
Fleischproben von Schweinen, Rindern, Kälbern und Geflügel, die in Niedersachsen entnommen und auf Radioaktivität untersucht wurden, weisen nur geringfügig höhere Gehalte als die Nachweisgrenze von 0,2 Bq/kg auf.

Gesamtnahrung/Säuglingsnahrung
In Gesamtnahrung/Säuglingsnahrung ist die Aktivität selten höher als die Nachweisgrenze. Da diese Lebensmittel aus verarbeiteten Rohprodukten hergestellt werden, bewegen sich deren Cs-137-Gehalte in der Nähe der Nachweisgrenzen. Die Gesamtnahrung für Erwachsene ist eine repräsentative Teilprobe der Nahrung eines Erwachsenen bestehend aus drei Mahlzeiten sowie Getränken eines Tages. Aus diesem Grund wird die Bezugseinheit der Aktivität Bq auf dp (pro Tag pro Person) verwendet, die auch rechtlich vorgeschrieben ist.

Die Sr-90 Aktivitätskonzentrationen liegen für Säuglingsnahrung und Gesamtnahrung unterhalb der Nachweisgrenzen von 0,02 Bq/kg beziehungsweise 0,04 Bq/dp.

Frauenmilch
Die Proben werden von stillenden Müttern, die ihre Milch untersuchen lassen möchten, über mehrere Tage gesammelt und über das Landesgesundheitsamt anonymisiert zur Untersuchung auf Cs-137 eingereicht.

In den vergangenen Jahren konnten in der Regel keine radioaktiven Cäsium-Isotope nachgewiesen werden. Dies entspricht der abnehmenden Belastung der Lebensmittel seit dem Reaktorunglück von Tschernobyl. Nur in seltenen Ausnahmefällen wurden noch Aktivitäten bis 0,5 Bq/l festgestellt. Dies könnte auf besondere Ernährungsgewohnheiten der Mutter zurückzuführen sein.

2.2 Landesprogramme Honig, Wildfleisch und Wildpilze

Honig Bildrechte: Honig: © Ovidiu Iordachi - Fotolia.com
Blütenhonig

Im niedersächsischen Landesmessprogramm werden sogenannte Lebensmittel mit Indikatorfunktion untersucht. Nicht agrarwirtschaftlich genutzte Flächen wie Wälder und Wiesen können längerfristig Radionuklid-Kontaminationen aufweisen, was sich in den dort erzeugten Lebensmitteln widerspiegeln kann. Bestimmte Lebensmittel wie Wildpilze, -fleisch und Honig können diese Radionuklide physiologisch und standortbedingt verstärkt aus der Umwelt aufnehmen und können daher eine höhere Belastung aufweisen.

Mittlerweile ist nur noch die Aktivität des Cs-137 nur in Honig, Wildfleisch und Wildpilzen von Bedeutung. Diese Programme werden in Niedersachsen schon seit 1986 durchgeführt.

Honig
Von den in Niedersachsen hergestellten Honigen (ausgenommen Heidehonig) liegen die spezifischen Aktivitäten an Cs-137 in der Nähe der Nachweisgrenze. Grenzwertüberschreitungen sind bei aktuellen Heidehonigen allerdings nicht gemessen worden.

Ursache:
Die höhere Belastung von Heidehonig wird durch Besenheide (calluna vulgaris) verursacht, die im sauren Heideboden wächst. In Heideböden, ebenso wie im Waldboden, fehlt die Durchmischung des Bodens durch Bearbeitung. Somit findet auch keine Verdünnung der Radionuklide im Boden statt. In diesem Ökokreislauf bewirkt die saure Umgebung eine hohe Mobilität des Cäsium-137. Zusätzlich fehlen Tonminerale, an denen das Cäsium-137 gebunden wird. Das führt zu einer hohen Pflanzenverfügbarkeit. Damit lässt sich die höhere Belastung des von den Bienen produzierten Heidehonigs erklären.

Wildpilze
Gebiete, die in Niedersachsen nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl durch den Niederschlag von Radionukliden stärker belastet wurden, zeigen höhere Aktivitäten in beispielsweise Wildpilzen. Die Situation ist aber nicht vergleichbar mit den Verhältnissen in Süddeutschland, wo in Wildpilzen Aktivitäten bis zu einigen 1000 Bq/kg gemessen werden. So wurde seit 2006 in niedersächsischen Wildpilzen keine Aktivität an Cs-137 oberhalb des Grenzwertes von 600 Bq/kg gemessen. Je nach Witterungsbedingungen können jedoch vereinzelt Maronenröhrlinge mit Cs-137-Gehalten oberhalb 600 Bq/kg nicht ausgeschlossen werden. Die Wildpilzproben werden in Zusammenarbeit mit den Forstämtern entnommen.

Weitere Informationen zu Radioaktivitätsmessungen bei Wildpilzen gibt es in folgendem Artikel: Wildpilze - radioaktive Werte deutlich unterhalb des Grenzwertes

Wild
In harten, langen Wintern kann es zu Grenzwertüberschreitungen beim Schwarzwild in besonderen Lagen des Harzes kommen. Durch fehlende Eichelmast müssen die Tiere dann vermehrt auf höher belastete Nahrung ausweichen. Bei gleichzeitigem Nahrungsmangel verlieren die Tiere an Körpergewicht. Dadurch kann die spezifische Aktivitätserhöhung in Grenzwertnähe (600 Bq) geraten und der Grenzwert wird gelegentlich auch überschritten.

Weitere Informationen zu Radioaktivitätsmessungen bei Wildfleisch gibt es in folgendem Artikel: Wildfleisch auf Radioaktivität untersucht - EU-Grenzwert wird nicht überschritten!

2.3 Fisch

Fische
Frischer Fisch im Rahmen der Untersuchung von Fischereierzeugnissen aus dem Handel auf Umweltradioaktivität

Zur Beurteilung der Radionuklidbelastung von Nahrungsmitteln aus dem aquatischen Bereich wurden die bereits im Jahr 1987 im Rahmen des IMIS und des niedersächsischen „Sonderprogramms Fisch“ durchgeführten Untersuchungen fortgesetzt. Zusätzlich wurden regelmäßig Fischereierzeugnisse im Rahmen der Anlandekontrollen und der Grenzeingangskontrollen sowie Fischereierzeugnisse aus dem Handel untersucht. Der Gesamtcäsium-Höchstwert von 600 Bq/kg wird nicht überschritten.

Garnelen und Miesmuscheln
Seit 1990 liegen die Medianwerte der untersuchten Garnelen und Miesmuscheln aus der Nordsee (Deutsche Bucht) sowie der untersuchten Importproben aus Grönland, Norwegen, Kanada und dem Indischen Ozean unterhalb der Nachweisgrenze von 0,2 Bq/kg.

Binnenfisch
Höhere Belastungen an radioaktivem Gesamtcäsium können bei Raubfischen - zum Beispiel Hecht oder Aal - gemessen werden. Raubfische sind als Endglieder der Nahrungskette höher belastet als Friedfische. Die ermittelten Cäsium-137 Gehalte sind infolge des größeren Verdünnungseffektes in den Flüssen erwartungsgemäß geringer als in Binnenseen.

3. Bewertung

Um die effektive Dosis durch die Aufnahme von radioaktivem Material mit der Nahrung ermitteln zu können, sind sogenannte Dosiskoeffizienten von Bedeutung. Sie berücksichtigen für jedes Radionuklid die unterschiedliche Wirkung auf verschiedene Gewebearten - auch in Abhängigkeit des Alters der Einzelperson.

Der effektive Dosiskoeffizient berücksichtigt die Strahlenwirkung des verursachenden Radionuklids. Zusätzlich zur natürlichen Strahlendosis trägt zu einem großen Anteil das Radionuklid Cäsium-137 zur anthropogenen Strahlendosis bei. Dieses stammt zum überwiegenden Anteil aus der Restaktivität des Fallouts beziehungsweise Washouts in Folge der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl. Zu einem weit geringeren Anteil stammt es aus den oberirdischen Kernwaffentests.

Die Strahlenexposition wird durch eine Mahlzeit Wildpilze oder Wildfleisch mit erhöhter Aktivität an Cs-137 jedoch nicht signifikant erhöht. Ein gelegentlicher Verzehr stellt für Verbraucherinnen und Verbraucher kein gesundheitliches Problem dar.

4. Fazit

Die Vorgaben des Strahlenschutzgesetz schreiben weiterhin die flächendeckende Überwachung der in Niedersachsen erzeugten Lebensmittel vor. Die Probenzahlen sind den Erzeugermengen angepasst. Importierte Lebensmittel werden nach EU-Verordnung an zugelassenen Grenzeinlassstellen des entsprechenden Bundeslandes kontrolliert. Im LAVES werden auch stichprobenartig importierte Lebensmittel aus dem Einzelhandel im IMIS überwacht. Die Durchführung des Strahlenschutzgesetzes soll gewährleisten auch künftig - im Falle eines nuklearen Ereignisses mit nicht unerheblichen Folgen - sofort einsatz- und messbereit zu sein, um die Vermarktungsmöglichkeiten niedersächsischer Produkte sicherzustellen und die Strahlenbelastung der Bevölkerung zu minimieren. Um die Qualität der Messergebnisse sowie die Einsatz- und Messbereitschaft auch zukünftig zu gewährleisten, nehmen die Radioaktivitätsmessstellen des LAVES regelmäßig an Vergleichsuntersuchungen (Ringversuchen) und IMIS Übungen teil.

5. Japan

Auf der Homepage des Bundesamts für Strahlenschutz findet sich eine gute Übersicht und weiterführende Informationen zu den Auswirkungen des als Folge eines erdbebenbedingten Tsunamis eingetretenen Reaktorunfalls im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi.

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