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Aktive Verpackungen

Die Vorstellung, dass Verpackungen mehr sein sollen, als eine Hülle für Lebensmittel und eine inerte Barriere gegen Umwelteinflüsse, geht bereits auf Mitte der 70er Jahre zurück. Seit gut zehn Jahren wird in größerem Umfang von aktiven Verpackungen gesprochen.

Ein Beispiel für eine frühe aktive Verpackung ist ein japanisches Patent, das einen Sauerstoffabsorber zum Haltbarmachen von Gemüse und Fisch beschreibt, der innerhalb einer Verpackung arbeitet. Das Absorbermaterial ist in einem kleinen Kissen untergebracht, welches sich – fest mit dem Verpackungsmaterial verbunden oder lose beigelegt – im Kopfraum der Verpackung befindet. Das Kissen besteht aus einer sauerstoffdurchlässigen Membran, die das Absorbermaterial umhüllt.

Japan ist klarer Marktführer von sauerstoffbindenden Verpackungen. Im Gegensatz zu den USA und insbesondere Europa, akzeptiert der japanische Verbraucher die kleine Chemiefabrik mit der Aufschrift "Nicht essen!" in der Verpackung wesentlich bereitwilliger.

Das Interesse an aktiven Verpackungsmaterialien ist groß und geht von Seiten der Industrie dahin, akzeptablere Lösungen zu entwickeln und derartige Verpackungen auf dem europäischen Markt zu etablieren. Eine erste Einbindung dieser "neuen" Verpackungen in Rechtsvorschriften ist in der VO (EU) 1935/2004 über Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, erfolgt.

Definitionen nach Artikel 2 VO (EU) 1935/2004


Aktive Lebensmittelkontakt-Materialien und -gegenstände:

  • Aktive Materialien und Gegenstände sind so definiert, dass sie gezielt Stoffe an das verpackte Lebensmittel oder die das Lebensmittel umgebende Atmosphäre abgeben (Releasersysteme) beziehungsweise entziehen (Adsorbersysteme)
  • Diese Wechselwirkungen sollen dazu dienen, die Haltbarkeit verpackter Lebensmittel zu verlängern oder ihren Zustand zu erhalten oder zu verbessern.

Intelligente Lebensmittelkontakt-Materialien und -gegenstände:

  • Als intelligente oder smarte Bedarfsgegenstände werden Indikatorsysteme bezeichnet, welche die Frische beziehungsweise den Haltbarkeitszustand eines verpackten Lebensmittels dokumentieren sollen – und zwar nach Möglichkeit vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums

Unterschiede zwischen aktiven und intelligenten Verpackungen:

  • Aktive Verpackung (active packaging) schafft Umgebungsbedingungen für einen besseren Qualitätserhalt der verpackten Lebensmittel
  • intelligente Verpackung (smart packaging) gibt Auskunft über den momentanen Qualitätszustand des verpackten Lebensmittels.
Die aktiven Verpackungssysteme gibt es in unterschiedlichen Typen:

  • Typ 1: aktive Komponente und Packstoff separat (zum Beispiel beigelegtes Sachet)
  • Typ 2: aktive Komponente in den Packstoff integriert
Aktive Verpackungsfunktionen: Was können aktive Verpackungen, was sollen sie bewirken?

  • Feuchtigkeitsregulation (Wasserabsorber: Polyacrylate, Anwendung bei Fleisch, Geflügel)
  • Ethylenabsorption (Palladium/Aktivkohle, Anwendung bei Früchten, Gemüse)
  • O2-Zehrung (sulfit-/eisenbasierte Sauerstoff-Scavenger, Anwendung für vorwiegend trockene Lebensmittel wie Kartoffelchips, aber zunehmend für alle Lebensmittel
  • antimikrobielle Wirkung
Aktive Verpackungen sollen einen verbesserten Qualitätserhalt bewirken, insoweit stellt sich zunächst die Frage, wodurch und welche Qualitätsverluste entstehen.


Qualitätsverluste durch Sauerstoff

  • Verfärbung, Geschmacksverlust, Abbau ernährungsrelevanter Stoffe
  • Wachstum aerober Mikroorganismen – Schimmel, Bildung von Toxinen
Maßnahmen gegen Sauerstoff

  • Einsatz von Barriere-Folien und Abpacken unter Schutzgas (N2 oder CO2/N2), Restsauerstoff bis 1,5 Prozent praktisch verwirklichbar
  • Einsatz sauerstoffzehrender Materialien: Das Binden von Sauerstoff mit einem Absorbent, im angelsächsischen als "Oxygen Scavenger" – Sauerstoffstoff-Aasgeier – bezeichnet, ist bisher die wirtschaftliche Nummer Eins unter den aktiven Verpackungsfunktionen.
Beispiele für Sauerstoff-Scavenger:

  • Sulfitbasierte Sauerststoff-Scavengersysteme gibt es schon im Handel: Bierflaschen aus Kunststoff, aktive Komponente befindet sich im Verschluss
  • Eisenbasierte Sauerstoff-Scavengersysteme: Fertigmenüs, Folien beziehungsweise im Aufreißfaden von wiederverschließbaren Käsepackungen, Fleischerzeugnisse, Verfärbung unter Einfluss von Licht und Sauerstoff
Oberflächenbiozide

  • Antimikrobielle Oberfläche, Wirkstoff fixiert auf Oberfläche, Inaktivierung der Oberfläche gegenüber dem Lebensmittel, selbststerilisierendende Oberfläche oder selbstpolierende Oberfläche → Folie bleibt glänzend, wird nicht schmierig, verleiht dem Lebensmittel besseres Aussehen
  • Antimikrobielle Oberfläche – Release-Mechanismus:
    mögliche antimikrobielle Additive:
    Konservierungsstoffe, Antibiotica, Natamycin, Chitosan (Nebenprodukt, das in der Fischindustrie (Krabbenschale) anfällt. Es soll sein Wirkungsspektrum besonders gegenüber Listerien entfalten), Enzyme (sollen aktiv Füllgutbestandteile umwandeln; Beispiele aus der Literatur: Enzymatische Spaltung von Lactose in Glucose und Galactose und Reduktion von Cholesterin in das vom Körper nicht absorbierbare Coprosterol)
    Naturstoffe: Thiosulfinate aus Knoblauch, Isothiocyanate aus japanischem Meerrettich / Wasabi, Flavonoide (zum Beispiel aus Grapefruit), Gewürzextrakte (zum Beispiel aus Basilikum), Silber, Nanopartikel
Rechtliche Anforderungen an aktive Verpackungen

  1. Zulassung
    Die aktiven Systeme sowie die Verwendung von Stoffen, die aktiven Materialien oder Gegenständen gezielt beigefügt werden, sind einem Zulassungsverfahren durch die ELB zu unterziehen und sollen in einer Positivliste registriert werden. Diese Stoffe gelten als Zutaten im Sinne von Art. 6 der Richtlinie 2000/13/EG

    Ausnahme: Zu unterscheiden von aktiven Bedarfsgegenständen sind trotz möglicher ähnlicher Wirkung, Materialien und Gegenstände, die üblicherweise dazu verwendet werden, im Verlauf des Herstellungsprozesses ihre natürlichen Bestandteile an bestimmte Arten von Lebensmitteln abzugeben → Holzfässer oder -materialien zur Lagerung von Wein oder Bränden, wobei der Übergang phenolischer Holzinhaltsstoffe durchaus erwünscht ist.

    Multifunktionale Additive: Stoffe die sowohl als Zusatzstoffe oder Aromen in Lebensmitteln als auch als Additive im Kunststoff zulässig sind. Die Stoffe können aufgrund ihrer Eigenschaften einen unbeabsichtigten technologischen Effekt auf Lebensmittel ausüben. Die derzeitige Regelung ist nur für Lebensmittelkontaktmaterialien aus Kunststoff vorgesehen und besagt, dass diese Stoffe entweder keinen technologischen Effekt auf das Lebensmittel ausüben dürfen oder die für Lebensmittelkontaktmaterialien aus Kunststoff geltenden SML-Werte einhalten müssen – je nachdem welche Regelung strenger ist.

    Problematik der unbeabsichtigten Wechselwirkung existiert auch bei anderen Materialien. Beispiele für Lebensmittelkontaktmaterialien:
    Gummi → Vulkanisationsbeschleuniger (Dithiocarbamate, Thiuram) Stabilisatoren für Naturlatex, Fäulnisschutzmittel;
    Verwendung von Konservierungsstoffen zur Produktkonservierung von Cellulosehydrat zur Herstellung von Kunstdärmen → erhöhter Restmonomergehalt kann zu einer keimhemmenden Wirkung auf das Lebensmittel führen.

  2. Beschaffenheit
    Aktive Materialien und Gegenstände dürfen keine Veränderung der Zusammensetzung (nicht toxisch, nicht allergen) von Lebensmitteln oder der organoleptischen Eigenschaften (neutral hinsichtlich Geruch oder Geschmack) herbeiführen, die den Verbraucher irreführen könnten. Dazu gehört zum Beispiel das Kaschieren des Verderbs von Lebensmitteln.

  3. Kennzeichnung
    Aktive Materialien und Gegenstände, die bereits mit Lebensmitteln in Berührung gekommen sind, müssen mit einer angemessenen Kennzeichnung versehen werden, die es dem Verbraucher gestattet, nicht essbare Teile zu identifizieren, und aus der hervorgeht, dass es sich um aktive Materialien und Gegenstände handelt.

    Die Richtlinie wird für Herbst 2007 erwartet. Die Entscheidung hinsichtlich Zusatzstoffrecht soll bis dahin gefallen sein, einheitliche Regelung für Lebensmittel und Bedarfsgegenstände mit speziellen Beschränkungen oder getrennte Regelung mit Zulassung von zum Beispiel Konservierungsstoffen für Bedarfsgegenstände, die für Lebensmittel nicht zugelassen sind.

    Richtlinie 2000/13/EG vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (Abl. L 109 v. 6.5.2000 S. 29) Artikel 6 Absatz 4 Buchstabe a: Zutat ist jeder Stoff, einschließlich der Zusatzstoffe, die bei der Herstellung oder Zubereitung eines Lebensmittels verwendet werden und – wenn auch in veränderter Form – im Enderzeugnis vorhanden bleibt.

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