Nicht deklariertes Pferdefleisch in Fertiggerichten
4. Ergebnisse in Niedersachsen
7. Pferdefleisch als Lebensmittel
8. Pferdefleisch im Lebensmittelrecht
Das Lebensmittel- und Veterinärinstitut Braunschweig/Hannover (Standort Braunschweig) ist landesweit für die Tierartenbestimmung in Lebensmitteln zuständig. Bereits vor dem Pferdefleischskandal wurden jedes Jahr durchschnittlich 600 Proben daraufhin untersucht, ob das in einem Lebensmittel verarbeitete Fleisch bzw. die verarbeitete Milch von der Tierart stammte, die deklariert war. Aufgrund des Pferdefleischskandals wurden vermehrt Fleischerzeugnisse auf nicht deklarierte Fleischzutaten untersucht. Zum einen hatte die Europäische Union mit einem EU-weiten koordinierten Untersuchungsprogramm reagiert. Dabei sollten Fleischprodukte auf die Beimischung von nicht deklariertem Pferdefleisch untersucht werden. Auf Deutschland entfielen insgesamt 150 Proben, von denen 15 Proben in Niedersachsen entnommen und analysiert werden sollten. Zum anderen wurde in Deutschland ergänzend ein erweitertes Untersuchungsprogramm „Deutschland plus“ durchgeführt. Im Rahmen dieses Programms wurden zusätzliche Proben von Fleischerzeugnissen auch auf andere nicht deklarierte Fleischzutaten untersucht.
Sofort nach Bekanntwerden der Falschdeklaration im Februar 2013 wurden vom LVI BS/H (Standort BS) diverse Fertiggerichte (z. B. Lasagne, Bolognese) sowie Frikadellen/Burger und andere Hackfleischprodukte auf die verwendete Fleischzutat untersucht. Derzeit wurden bereits über 300 dieser Produkte untersucht.
Für das EU-weit koordinierte Überwachungsprogramm wurden im März 2013 zudem Rindfleischburger und Frikadellen aus Rindfleisch, die lose oder in Fertigpackungen angeboten werden, analysiert.
Im Rahmen von „Deutschland plus“ wurden im März und April 2013 zusätzlich insgesamt 15 Proben Dönerspieße vom Hersteller, 30 Proben Leberwurst sowie 30 Proben Frühlingsrollen mit Fleischfüllung aus der asiatischen Gastronomie auf das verwendete Fleisch untersucht.
Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten die Tierart der verwendeten Fleischzutat zu bestimmen:
1) Nachweis von tierartspezifischen Proteinen
2) Nachweis von tierartspezifischen Genabschnitten (DNA)
In der Regel handelt es sich dabei um qualitative Verfahren. Dies bedeutet, dass keine exakte Aussage über den prozentualen Gehalt von z. B. verarbeitetem Pferdefleisch gemacht werden kann. Bestimmte molekularbiologische Verfahren, bei denen tierartspezifische Genabschnitte nachgewiesen werden, erlauben eine semiquantitative Bestimmung des DNA-Gehaltes.
4. Ergebnisse in Niedersachsen
Bisher wurden im LVI BS/H (Standort BS) seit Februar 2013 ca. 503 Proben (Stand: 30.04.2013) auf die Beimischung von Pferdefleisch untersucht. Diese setzen sich insbesondere aus diversen Fertiggerichten, die Hackfleisch beinhalten sowie Burgern und Frikadellen zusammen. Es wurden zu einem geringeren Anteil auch Proben aus Verarbeitungsbetrieben entnommen, die beispielweise zerkleinertes Fleisch zur Herstellung von Fertiggereichten liefern.
In der nachfolgenden Tabelle sind die positiven Proben aufgeführt.
Produkt |
Nicht deklarierte Tierart |
Entnahmeort |
Sauerbraten mit Eierspätzle und Apfelrotkohl |
Pferd (Spuren) |
Einzelhandel |
Spaghetti Bolognese |
Pferd |
Einzelhandel |
Gulaschsuppe, zwei versch. Produkte |
Pferd |
Einzelhandel |
Kohlrouladen |
Pferd |
Einzelhandel |
„Cooked minced meat“, vier verschiedene Chargen |
Pferd |
Hersteller |
Corned Beef, zwei verschiedene Produkte |
Pferd |
Hersteller |
Rindswürstchen |
Pferd |
Einzelhandel |
Hackpizza |
Pferd |
Hersteller |
Geschmortes Rind mit Buchweizen |
Pferd |
Einzelhandel |
Gepökeltes Rindfleisch |
Pferd |
Einzelhandel |
Für das Land Niedersachsen ist das Dezernat Lebensmittelüberwachung des LAVES die Kontaktstelle für das europäische Schnellwarnsystem für Lebensmittel und Futtermittel (Rapid Alert System for Food and Feed, RASFF). Vom Pferdefleisch-Geschehen war dieses System stark betroffen. So gab es bisher 26 Informationsmeldungen, von denen 13 auch Niedersachsen betrafen (Stand 02.04.2013). Zu diesen Meldungen gab es jeweils zahlreiche ergänzende Folge-Meldungen, die zusätzliche wichtige Informationen enthalten. Hinzu kommen die Mitteilungen aus den Bundesländern oder des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), die weitere Informationen liefern, aber nicht als Meldung in das SWS eingestellt wurden. Hiervon betrafen 37 Niedersachsen.
Diese insgesamt 250 Meldungen, Ergänzungen und Mitteilungen wurden von der Kontaktstelle im LAVES bearbeitet und an die betroffenen Kommunen, das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML) und diverse weitere Empfänger verschickt. Die Rückmeldungen der Überwachungsbehörden auf kommunaler Ebene werden bearbeitet und u. a. an das BVL, andere Bundesländer und das ML weitergeleitet.
In diesem Vorgang kam erschwerend hinzu, dass die Lieferwege sehr verflochten und laufend neue Produkte betroffen sind.
Phenylbutazon ist im Zusammenhang mit den Geschehnissen um Pferdefleisch mehrfach in den Medien genannt worden. Bei diesem Stoff handelt es sich um ein Schmerzmittel, dass bei Pferden und Hunden angewendet wird. Im Jahr 1997 haben die Arzneimittelunternehmen allerdings aus wirtschaftlichen Gründen darauf verzichtet, einen Antrag auf „Zulassung“ dieses Stoffes zur Anwendung bei Lebensmittelliefernden Tieren zu stellen. Daher ist die Anwendung von Phenylbutazon bei allen Tieren, die der Lebensmittelgewinnung dienen, verboten. Eine toxikologische Bewertung erfolgte daher ebenfalls nicht. Somit können auch keine verlässlichen Aussagen über die Gefahren von Rückständen dieses Stoffes in Fleisch für die menschliche Gesundheit gemacht werden.
Eine Anwendung von Phenylbutazon bei Pferden ist daher nur noch möglich, wenn im sogenannten „Equidenpass“ (Dokument zur Identifizierung pferdeartiger Säugetiere) ausdrücklich vermerkt ist, dass dieses Pferd von der Schlachtung ausgenommen ist. Der Equidenpass muss anlässlich der Schlachtung vorgelegt werden, so dass derartige Pferde, sollten sie überhaupt zum Schlachthof gelangen, zurückgewiesen werden.
In verschiedenen außereuropäischen Ländern wird diese Unterscheidung zwischen „Lebensmittelpferd“ und „Hobbypferd“ nicht vorgenommen (z.B. USA, Kanada, Brasilien). Bisher war es also vorstellbar, dass Pferdefleisch von nicht für Lebensmittelzwecke geeigneten Tieren aus diesen Ländern in die Europäische Union eingeführt wurde. Eine Änderung der Importvorschriften wird Mitte 2013 in Kraft treten.
Die Untersuchung von Fleisch, das von Pferden stammt, die in Deutschland geschlachtet wurden, auf Phenylbutazon ist im Nationalen Rückstandskontrollplan (NRKP) geregelt. Die Anzahl der für Niedersachsen 2013 vorgesehenen Proben wurde im Hinblick auf das aktuelle Geschehen verdoppelt. Darüber hinaus werden seit Mitte Februar alle i. R. dieses Untersuchungsprogramms eingesandten Proben von Pferden auf Phenylbutazon untersucht. Positive Befunde konnten dabei bisher nicht festgestellt werden.
7. Pferdefleisch als Lebensmittel
Fleisch vom Pferd stellt ein qualitativ hochwertiges Lebensmittel dar, das von Gourmets als Spezialität geschätzt wird. Es weist diätetisch wertvolle Eigenschaften, wie z. B. einen hohen Gehalt an essentiellen Fettsäuren auf und kommt dem Rindfleisch in seinen Eigenschaften sehr nahe.
Allerdings gilt Pferdefleisch auch als „umstrittenes Lebensmittel“ und hat daher in Deutschland nur einen sehr geringen Marktanteil im Vergleich zu Schweine-, Rinder- oder Geflügelfleisch. Ähnlich wie die in der Bevölkerung verbreiteten Vorbehalte gegenüber Lammfleisch („Hammelfleisch-Erinnerungen“ der Kriegs- und Nachkriegsgenerationen) hat Pferdefleisch den – historisch begründeten – Ruf des „Arme-Leute-Fleisches“. Noch stärker wiegen jedoch die Vorbehalte vieler Verbraucher, das Fleisch eines Haustieres (im Sinne eines tierischen Gefährten im Gegensatz zum „Nutzvieh“) zu verspeisen.
Da die Nachfrage nach Pferdefleisch in Europa relativ gering ist, liegen die Preise zum Teil deutlich unter denen von Rindfleisch. Daher wurde und wird seit jeher versucht, Pferdefleisch als Rindfleisch in den Verkehr zu bringen.
Bereits Ende des vorletzten Jahrhunderts wurde in den ersten Lehrbüchern der Lebensmittelkontrolle darauf hingewiesen, dass „der Unterscheidung des Pferdefleisches vom Rindfleisch praktisch die größte Bedeutung zukomme, weil die Unterschiebung ersterer Fleischart an Stelle der letzteren häufig ist“ (Ostertag [1892]: Handbuch der Fleischbeschau für Tierärzte, Ärzte und Richter).
Diese bekannte Täuschungsmöglichkeit scheint in den letzten Jahrzehnten ein wenig ein Vergessenheit geraten zu sein. Anders lässt sich kaum erklären, warum bei den intensiven Wareneingangskontrollen der Hersteller von Fleischerzeugnissen und Convenience-Produkten bisher selten oder nie auf Tierarten untersucht wurde.
Anders als noch vor 120 Jahren stehen heutzutage sensitive und kostengünstige Nachweisverfahren zu Verfügung, um die tierartliche Herkunft von Fleisch und Fleischerzeugnissen eindeutig festzustellen (s. o.).
8. Pferdefleisch im Lebensmittelrecht
Die Verwendung von Pferdefleisch ist in Deutschland eine bei Fleischerzeugnissen nicht übliche Zutat, die vom Verbraucher nicht erwartet wird und daher eindeutig kenntlich gemacht werden muss.
Wenn diese Kennzeichnung nicht erfolgt ist, aber Pferdefleisch als Zutat im Rahmen einer amtlichen Kontrolle nachgewiesen wurde, wird das Lebensmittel lebensmittelrechtlich als irreführend gekennzeichnet beurteilt und darf nicht in Verkehr gebracht werden. Sofern keine anderen Mängel festgestellt wurden, wäre allerdings ein Inverkehrbringen unter neuer, zutreffender Kennzeichnung möglich.
Weitere Informationen:
Probenvorbereitung von Hackfleischbällchen für die Laboruntersuchung