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"Antibiotika-Einsatz in der Tierproduktion — ein Risiko für den Verbraucher?"

5. Niedersächsisches Forum Gesundheitlicher Verbraucherschutz


Unter dem Titel "Antibiotika-Einsatz in der Tierproduktion — ein Risiko für den Verbraucher?" fand am 25.04.2012 das 5. Niedersächsische Forum Gesundheitlicher Verbrauchschutz statt, welches von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) Sektion Niedersachsen, der Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN) und dem Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) ausgerichtet wurde. Die Veranstaltung, bei der Experten aus der Human- und Veterinärmedizin über Risiken und Ausbreitung von Resistenzen referierten, wurde von rund 180 Gästen aus den Bereichen Tiermedizin, Humanmedizin, Ernährungs- und Agrarwissenschaften besucht.

Der niedersächsische Landwirtschaftsminister Gert Lindemann stellte in seinen Grußworten klar, dass eine Landwirtschaft ohne Antibiotika nicht möglich sei, da es sich hierbei um notwendige und lebensrettende Medikamente zur Behandlung von Krankheiten handelt. Deutschland liegt im europäischen Vergleich, beim Einsatz dieser Medikamente hinter Ländern wie Niederlande und Frankreich. Sogar in der Schweiz, die strengere Regelungen zum Tierschutz hinsichtlich der Massentierhaltung verfolgt, werden mehr Antibiotika verwendet. Dennoch müssen wirksame Maßnahmen zur Eindämmung des Einsatzes dieser Arzneimittel gefunden werden, um der großen Herausforderung der zunehmenden Resistenzbildung gerecht werden zu können. Die dafür wichtige bestehende Zusammenarbeit zwischen der Human- und Tiermedizin in Niedersachsen sucht derzeit bundesweit ihresgleichen.

Der Vizepräsident der Ärztekammer Niedersachsen, Dr. Gisbert Voigt, betonte in seiner Begrüßung, dass bestimmte Medikamente ausschließlich für die Behandlung des Menschen vorbehalten werden sollten. Derzeit werden sowohl für den Menschen als auch für das Tier die gleichen Antibiotika in der Behandlung von Krankheiten eingesetzt.

Prof. Dr. Eberhard Haunhorst, Präsident des LAVES, stellte zum Thema „Antibiotika-Einsatz in der Tierproduktion – ein Risiko?“ die aktuelle Datenlage in Niedersachsen aus Sicht der Veterinärmedizin und Überwachung dar. Er machte deutlich, das Antibiotikarückstände in Lebensmitteln nur selten zu finden sind. In den rund 16.800 Proben, die 2011 auf pharmakologische Rückstände untersucht wurden, ist in lediglich 38 Fällen (0,4 %) eine Höchstmengenüberschreitung festgestellt worden. Der niedersächsische Antibiotikabericht liefert Daten zur Verwendung von Antibiotika in der niedersächsischen Nutztierhaltung. Hier wird unter anderem festgestellt, dass kein Zusammenhang zwischen der Größe des Tierbestandes und der Häufigkeit des Einsatzes dieser Arzneimittel besteht. Das Ziel sei es aber, den Einsatz von Antibiotika auf ein Mindestmaß einzuschränken. Dieses Ziel verfolgt auch das niedersächsische Antibiotika-Minimierungskonzept. Es sieht die standardisierte Erfassung des Antibiotikaverbrauchs, die kontinuierliche Verbesserung der Tiergesundheit und Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes, Regelungen zum sorgfältigen Umgang mit Antibiotika sowie weitere Maßnahmen vor.

Der Präsident des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes (NLGA), Dr. Matthias Pulz, spiegelte in seinem Vortrag, „Antibiotika-Resistenzen (MRSA) – ein Risiko?“ die aktuelle Datenlage in Niedersachsen aus Sicht der Humanmedizin und Epidemiologie wieder. Er stellte deutlich heraus, dass sich die Human- und die Veterinärmedizin der Problematik der zunehmenden Resistenzentwicklungen, im Sinne einer „One-Health“-Initiative, gemeinsam stellen müssen. Das vom NLGA etablierte System ARMIN (Antibiotika-Resistenz-Monitoring in Niedersachsen) dient derzeit der Erfassung von Antibiotikaresistenzen in Niedersachsen und ermöglicht eine Bewertung der aufgezeichneten Daten. Ziele für die Zukunft sind eine noch bessere Datenlage für den Antibiotikaverbrauch in der Humanmedizin zu gewinnen und Fortbildungsaktivitäten sowie die Öffentlichkeitsarbeit weiter auszubauen.

Unter dem Titel „Tierwohl und moderne Tierhaltung – Akzeptanz in der Gesellschaft“ stellte Prof. Dr. Achim Spiller von der Georg-August-Universität Göttingen aktuelle Ergebnisse einer Verbraucherstudie vor. Demnach weichen die Vorstellungen der Verbraucher über Massentierhaltung deutlich von der Realität ab. Weiterhin wird dieser Begriff von Verbrauchern häufig mit Tierquälerei assoziiert. Dabei stellt für die Konsumenten vor allem der gering zur Verfügung stehende Platz ein Problem dar, so dass Verbindungen zwischen der Stallgröße und dem Tierwohl gezogen werden. Wissenschaftliche Erkenntnisse weichen von dieser Einstellung ab und sehen keine Korrelation dieser beiden Faktoren. Aus den Ergebnissen der Studie wird deutlich das 70 % der Verbraucher bereit wären, zu Gunsten des Tierwohls, einen höheren Preis für Fleisch zu bezahlen. Eine Unterstützung für den Verbraucher könnte ein Tierwohl-Label des deutschen Tierschutzbundes sein, welches sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützt und den Verbraucher bei seinen Konsumentscheidungen unterstützen kann. Somit erhält dieser die Möglichkeit auch bei der Fleischauswahl zwischen einem „Mercedes, Golf oder Koreaner“ - so Prof. Spiller - entscheiden zu können.

Mit der Sichtweise des Verbrauchers beschäftigte sich ebenfalls P.D. Dr. Thomas Ellrott, Leiter DGE Sektion Niedersachsen, in seinem Vortrag „Consumer Confusion – in welcher Situation steckt der Verbraucher?“. Dabei stellte er die Überforderung von Verbrauchern deutlich heraus, die sowohl auf die Produktvielfalt als auch auf die Dignität der Informationen zurückzuführen ist. Besonders die extreme Widersprüchlichkeit in der medialen Berichterstattung verwirrt Konsumenten und erschwert die Beurteilung von Ernährungsinformationen. Diese Problematik sieht Ellrott vor allem darin begründet, dass die zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Informationen z. B. des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) oder des LAVES nur wenig genutzt werden. Diese sind meist nicht so „sexy“, wie die von selbsternannten Experten. „Gott sei Dank gibt es ein BfR und Gott sei Dank gibt es ein LAVES“, die Wissenschaft müsse sich aber mehr an der Kommunikation beteiligen. Denn nur ein mündiger, gut informierter Verbraucher ist die Basis, damit sich etwas zum Positiven verändern kann.

Die große Anzahl und die Heterogenität der Besucher, zeigen deutlich das hohe Interesse und die breite Betroffenheit dieses aktuellen, interdisziplinären Themas. Dies wurde auch in den regen Diskussionsrunden innerhalb der Veranstaltung deutlich.

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